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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1
Autoren: Sigrid Undset
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1
    Bei der Teilung der Hinterlassenschaft Ivar Gjeslings des Jüngeren auf Sundbu im Jahre 1306 kamen seine Besitztümer in Sil an die Tochter Ragnfrid und ihren Gatten, Lavrans Björgulvssohn. Diese hatten vorher auf Lavrans’ Hof Skog in Folio nahe bei Oslo gewohnt, jetzt aber zogen sie auf den Jörundhof oben im Gudbrandstal.
    Lavrans entstammte dem Geschlecht, das man hierzulande die Lagmannssöhne nannte. Sie waren mit jenem Laurentius Östgötalagmann von Schweden herübergekommen, der die Schwester des Bjelbo-Jarls, Jungfrau Bengta, aus dem Kloster Vreta entführt hatte und mit ihr nach Norwegen geflüchtet war. Herr Laurentius blieb bei König Haakon dem Alten und wurde von ihm sehr geschätzt; der König gab ihm den Hof Skog. Aber als er acht Jahre hier im Lande gewesen war, starb er im Krankenbett, und die Witwe, die Folkungetochter, die man in Norwegen Königstochter nannte, kehrte heim und söhnte sich mit ihren Verwandten aus. Sie wurde dann in einem anderen Land reich verheiratet. Sie und Herr Laurentius hatten keine Kinder miteinander gehabt, und so erbte Laurentius’ Bruder Ketil den Hof Skog. Er war der Großvater des Lavrans Björgulvssohn.
    Lavrans war in jungen Jahren verheiratet worden; er war erst achtundzwanzig Jahre alt, als er nach Sil kam, und war drei Jahre jünger als seine Frau. Als Heranwachsender war er im Gefolge des Königs gewesen und hatte eine gute Erziehung genossen; aber nach seiner Heirat lebte er ruhig auf seinem Hof, denn Ragnfrid war etwas eigen und schwermütig und fühlte sich nicht wohl unter den Menschen südlich im Lande. Nachdem sie das Mißgeschick gehabt hatte, drei kleine Söhne in der Wiege zu verlieren, wurde sie ganz menschenscheu. Vieles sprach dafür, daß Frau Ragnfrid näher zu ihren Verwandten und Bekannten käme, und so zog Lavrans ins Gudbrandstal. Sie hatten, als sie dort hinkamen, ein Kind, ein kleines Mädchen, das Kristin hieß.
    Als sie sich aber auf dem Jörundhof niedergelassen hatten, lebten sie dort meist ebenso still wie vorher und am liebsten für sich allein; es hatte nicht den Anschein, als läge Ragnfrid viel an ihren Verwandten, denn sie sah sie nicht öfter, als es die Schicklichkeit erforderte. Dies kam zum Teil daher, daß Lavrans und Ragnfrid besonders fromme und gottesfürchtige Menschen waren, die fleißig die Kirche besuchten, gerne Gottesdiener beherbergten oder jene Leute, die in Angelegenheiten der Kirche umherreisten, oder Pilgrime, die durch das Tal hinauf nach Nidaros* wanderten. Und auch dem Priester ihres Kirchspiels - er war ihr nächster Nachbar und wohnte auf Romundhof - erwiesen sie die große Achtung. Die anderen Leute dort im Tale aber waren der Ansicht, daß die Kirche Gottes ihnen teuer genug zu stehen komme an Zehenten, Waren und Geld, und sie meinten, sie hätten es nicht nötig, sich so strenge an Fasten und Beten zu halten oder sich die Priester und Mönche ins Haus zu ziehen, ohne ihrer gerade zu bedürfen.
    Im übrigen waren die Leute auf Jörundhof sehr geachtet und auch beliebt, hauptsächlich Lavrans, denn er war als ein starker und mutiger Mann bekannt, aber auch als friedliebend, ruhig und rechtschaffen, gleichmäßig in seinem Tun und Lassen, von höfischem Wesen; er war ein besonders tüchtiger Landwirt und ein großer Weidmann, sehr hitzig in der Jagd auf Wolf und Bär und alle Arten von Raubwild. Er vereinigte in wenigen Jahren viele Ländereien unter seinen Händen, aber er war ein guter und hilfsbereiter Hausvater gegen seine Pächter.
    Von Ragnfrid bekamen die Leute so wenig zu sehen, daß sie bald aufhörten, viel über sie zu reden. Die erste Zeit, nachdem sie in das Tal heimgekehrt war, hatten sich viele über sie gewundert, denn sie erinnerten sich ihrer noch aus jener Zeit, als sie daheim auf Sundbu lebte. Schön war sie nie gewesen, aber damals hatte sie gut und froh ausgesehen; nun hatte sie so an Anmut verloren, daß man gerne glauben konnte, sie sei zehn und nicht drei Jahre älter als der Mann. Die Leute fanden auch, sie nehme das Unglück mit den Kindern unvernünftig schwer, denn im übrigen ginge es ihr doch in jeder Beziehung besser als den meisten Frauen - sie saß in großem Wohlstand und Ansehen und lebte gut mit ihrem Mann, soweit die Leute sehen konnten; Lavrans gab sich nicht mit anderen Frauen ab, er beriet sich viel mit ihr in allen Dingen, und er sagte ihr nicht ein unfreundliches
    * Drontheim.
    Wort, ob er nun nüchtern oder betrunken war. Auch war sie nicht so alt, , daß sie
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