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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1
Autoren: Sigrid Undset
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nicht noch viele Kinder hätte bekommen können, wenn Gott ihr das vergönnen wollte.
    Es war nicht leicht für die auf Jörundhof, junge Leute in den Dienst zu bekommen, weil die Hausmutter diesen schweren Sinn hatte und weil alle Fastenzeiten so streng gehalten wurden. Sonst hatten die Leute es gut dort auf dem Hofe, und es gab selten böse Worte oder Strafen; sowohl Lavrans als auch Ragnfrid gingen bei jeder Arbeit selbst voran. Der Mann war auch auf seine Art froh gelaunt und tat gerne bei einem Tanz mit oder sang mit den andern, wenn die Jugend in den Vigiliennächten* auf dem Kirchenhügel spielte. Aber es waren doch meist ältere Menschen, die auf dem Jörundhof Dienst suchten; diesen gefiel es gut dort, und sie blieben lange.
    Als Kristin sieben Jahre alt war, geschah es einmal, daß sie ihren Vater auf die Alm begleiten sollte.
    Es war ein schöner Morgen im vorgerückten Sommer. Kristin stand in der oberen Stube des Vorratshauses, wo sie jetzt zur Sommerszeit schliefen**; sie sah die Sonne draußen scheinen und hörte ihren Vater und die Männer unten auf dem Hofplatz sprechen - da freute sie sich so, daß sie nicht still stehen konnte, während die Mutter sie anzog, sondern zwischen jedem Kleidungsstück, das ihr übergestreift wurde, umherhüpfte und in die Höhe sprang. Sie war noch nie oben in den Bergen gewesen, sondern nur über den Gebirgseinschnitt nach Vaage gekommen, wenn sie zum Besuch bei den Verwandten ihrer Mutter auf Sundbu mitgedurft hatte, oder war mit der Mutter und mit dem Gesinde vom Hofe in den zunächstliegenden Wäldern gewesen, wenn sie hinausgingen und die Beeren pflückten, die Ragnfrid ihrem Dünnbier zusetzte. Ragnfrid bereitete auch ein saures Gemisch von Preiselbeeren und Moosbeeren, das sie während der Langen Fasten statt der Butter zum Brot aßen.
    Die Mutter wickelte Kristins langes blondes Haar auf und band es in die alte blaue Haube ein, küßte dann die Tochter auf die Wange, und Kristin sprang zu ihrem Vater hinunter. Lavrans saß bereits im Sattel; er hob sie hinter sich aufs Pferd, wo er seinen Umhang wie ein Kissen auf der Kruppe des Pferdes zu-
    * Nächte vor hohen Kirchenfesten.
    ** Im Erdgeschoß des Vorratshauses lagerte man die groben Waren, im oberen Stockwerk bewahrte man Kleider und Waffen auf; dieser obere Raum, meist mit einem Altan versehen, wurde im Sommer als Schlaf- oder als Gastraum benutzt.
    rechtgelegt hatte. Dort sollte Kristin rittlings sitzen und sich an seinem Gürtel festhalten. Dann riefen sie der Mutter „Lebe wohl!“ zu, doch diese kam mit Kristins Umhang vom Altan heruntergelaufen, gab ihn Lavrans und bat ihn, des Kindes wohl zu achten.
    Die Sonne schien, aber es hatte in der Nacht stark geregnet, und die Bäche sprühten und sangen von allen Höhen herab, und die Nebelfetzen trieben an den Berghängen entlang. Doch über den Kämmen stiegen weiße Gutwetterwolken in die blaue Luft empor, und Lavrans und seine Männer redeten davon, daß es heute wohl einen heißen Tag geben würde, wenn die Sonne höher stiege. Lavrans hatte vier Leute mit, und obwohl ihrer so viele waren und sie nicht weit reiten wollten, waren sie alle gut bewaffnet, denn um diese Zeit trieben sich immer allerlei sonderbare Menschen in den Bergen herum, wenngleich nicht zu erwarten war, daß sie solchen begegnen würden. Kristin hatte alle diese Leute ihres Vaters gern; drei von ihnen waren ältere Männer, aber der vierte, Arne Gyrdssohn von Finsbrekken, war ein halberwachsener Knabe und Kristins bester Freund; er ritt Lavrans und ihr am nächsten, denn er war es, der ihr von allem erzählen mußte, was ihnen unterwegs begegnete.
    Sie ritten zwischen den Häusern des Romundhofes hindurch und tauschten Grüße mit dem Priester Eirik. Er stand vor der Tür und schalt seine Tochter - sie führte ihm das Haus - wegen eines Stranges neugefärbten Garns, den sie am Tag zuvor hatte draußen hängenlassen; nun war das Garn durch den Regen verdorben worden.
    Auf dem Hügel beim Pfarrhof lag die Kirche - sie war nicht groß, war aber zierlich gebaut, schön und gut erhalten und frisch geteert. Beim Kreuz vor dem Friedhofsgatter nahmen Lavrans und seine Leute die Hüte ab und senkten die Köpfe; dann wandte sich der Vater im Sattel, und er und Kristin winkten zur Mutter hinunter, die sie draußen auf der Wiese vor dem Hof sehen konnten. Sie winkte ihnen mit einem Zipfel ihres Kopftuches.
    Hier auf dem Kirchenhügel und dem Friedhof pflegte Kristin fast jeden Tag zu spielen; aber
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