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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1
Autoren: Sigrid Undset
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schlafen zu sehen. Geschah es daheim, daß sie nachts erwachte, lag sie warm und sicher im Bett, die Mutter an der einen Seite und das Webstück, das über die Balkenwand gespannt war, an der anderen. Dann wußte sie, daß Rauchloch und Türe gegen Nacht und Wetter draußen verschlossen waren und die Laute der Schlafenden von Menschen kamen, die sicher und warm zwischen Fellen und Kissen lagen. Aber alle diese Körper hier, die verrenkt und verdreht auf dem Hang rings um den kleinen weißen und schwarzen Aschenhaufen lagen, glichen Toten - einige lagen auf dem Bauch und einige auf dem Rücken mit hochgezogenen Knien, und die Töne, die sie ausstießen, erschreckten Kristin. Der Vater schnarchte schwer, wenn aber Halvdan atmete, pfiff und winselte es in seiner Nase. Und Arne lag auf der Seite, das Gesicht im Arm versteckt und das glänzende hellbraune Haar auf dem Heidekraut ausgebreitet; er lag so still, daß Kristin fürchtete, er sei tot. Sie mußte sich vorbeugen und ihn anrühren - da drehte er sich im Schlafe ein wenig um.
    Kristin mußte plötzlich denken, ob sie vielleicht einen ganzen Tag und eine ganze Nacht hindurch geschlafen habe und sie in einem neuen Tag erwacht sei - da erschrak sie so, daß sie den Vater rüttelte, aber der grunzte nur und schlief weiter. Kristin selbst war der Kopf noch schwer, sie wagte jedoch nicht, sich wieder zum Schlafen hinzulegen. Da kroch sie zum Feuer hin und stocherte mit einem Ast darin herum - es glühte noch ein wenig. Sie zog Beerenkraut und kleine Äste an sich heran und legte sie auf das Feuer, aber sie wagte nicht über
    den Ring der Schlafenden hinauszugehen, um große Äste zu suchen.
    Da donnerte es und dröhnte es im Boden ganz nahe - Kristin sank das Herz, und ihr wurde kalt vor Angst. Dann sah sie einen roten Körper zwischen den Bäumen, und Guldsvein brach zwischen den Zwergbirken hindurch, stand da und blickte sie mit seinen klaren hellen Augen an. Sie wurde so froh, sprang auf und lief zu dem Hengste hin. Dort war das braune Pferd, auf dem Arne geritten war, und auch das Saumpferd. Da fühlte sie sich so geborgen und sicher; sie klopfte allen dreien die Flanken; aber Guldsvein senkte den Kopf, so daß sie hinaufreichen und ihm die Backen streicheln, ihn an seinem gelbweißen Schopf ziehen konnte, und er schnupperte mit seinem weichen Maul in ihren Händen.
    Die Pferde grasten den Birkenhang hinunter, und Kristin ging mit ihnen, denn sie glaubte, daß es keine Gefahr habe, wenn sie sich nur in der Nähe von Guldsvein hielte - er war früher schon des Bären Herr geworden. Und die Blaubeeren standen hier überall so dicht, und das Kind war so durstig und hatte einen schlechten Geschmack im Mund; nach Bier gelüstete es sie jetzt nicht recht, aber die süßen saftigen Beeren waren so gut wie Wein. Weiter entfernt auf einem Geröllfeld sah sie auch Himbeeren - da packte sie Guldsvein bei der Mähne und bat ihn schön, mit dorthin zu kommen, und der Hengst folgte geduldig dem kleinen Mädchen. Und wie sie weiter und weiter den Hang hinunterging, folgte er, wenn sie ihn rief. Die beiden anderen Pferde gingen Guldsvein nach.
    Sie hörte einen Bach irgendwo in der Nähe glucksen und rieseln; da ging sie dem Laut nach, bis sie das Wasser fand, und sie legte sich auf eine große Steinplatte und wusch sich das heiße und von den Mücken zerstochene Gesicht und die Hände. Unterhalb des Steines stand das Wasser schwarz und unbeweglich stille, denn gerade gegenüber stieg eine Felswand hinter einigen kleinen Birken und Weidebüschen steil auf - es bildete sich hier der feinste Spiegel, und Kristin beugte sich darüber und betrachtete sich selbst im Wasser, denn sie wollte sehen, ob es sich so verhalte, wie Isrid sagte, daß sie ihrem Vater gleiche. -Sie lächelte und nickte und beugte sich vor, bis ihr Haar mit dem hellen Haar um das runde und großäugige Kindergesicht, das sie im Bach erblickte, zusammentraf.
    Ringsumher wuchsen Unmengen jener feinen hellroten Blumenbüschel, die Baldrian genannt werden - sie waren viel röter und schöner hier an dem Gebirgsbach als daheim längs dem Flusse. Da pflückte Kristin die Blumen und band sie mit Grashalmen zusammen, bis sie sich den schönsten buschigen hellroten Kranz gemacht hatte. Sie drückte ihn sich auf das Haar und lief zu der stillen Stelle im Bach, um zu sehen, wie sie sich ausnahm, jetzt, da sie geschmückt war wie ein erwachsenes Mädchen, das zum Tanze gehen will.
    Sie neigte sich über das Wasser und sah ihr
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