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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin
Autoren: Di Morrissey
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Prolog
    In diesem entlegenen Teil des australischen Outback ist die Morgendämmerung die angenehmste Zeit des Tages. Noch war es nächtlich kühl, doch die ersten wärmenden Strahlen der Morgensonne kündigten bereits einen weiteren glühend heißen Tag an. Bald würde die verschwommen hinter der staubigen Windschutzscheibe erkennbare Buschlandschaft der Kimberleys einen gleißenden, scharf konturierten Anblick bieten. Das ehemals weiße Taxi aus Broome war über und über mit rotem Staub bedeckt, und der Fahrgast auf dem Beifahrersitz hatte trotz der Klimaanlage das Gefühl, statt Luft feinen Staub einzuatmen.
    Bobby Ching, der fröhliche junge Fahrer, hatte seine Bedenken wegen der fürchterlichen Straßenbedingungen leichthin abgetan. Matthias Stern hingegen hatte Asphalt erwartet, oder doch wenigstens ordentliche Schotterstraßen. Aber er hatte schließlich selbst auf dem Weg zu einer wichtigen Verabredung das echte Outback sehen wollen. Er kam von so weit her. War solche Risiken eingegangen. Und nun schien alles von diesem Mann abzuhängen, der ausgerechnet auf einer Rinderfarm in der Kimberley-Region auf ihn wartete. Stern musste lächeln, als er wieder einmal an das ungewöhnliche Zusammentreffen verschiedener Umstände dachte, das ihn genau jetzt an diesen Ort geführt hatte. Diese Fahrt würde alle seine Probleme lösen.
    Bobby sah, dass sein Fahrgast sich zurücklehnte, und verzichtete auf ein Gespräch. Sie waren schon vor Stunden in Broome abgefahren, um möglichst weit zu kommen, ehe es zu heiß wurde. Der Deutsche hatte mit Mr. Choy, dem Taxi-Eigentümer, ein ungewöhnliches Geschäft ausgehandelt: eine umständliche Fahrt zur Bradley-Farm, um das Benefizrennen zu sehen – und dort jemanden zu treffen. Das hatte Bobby neugierig gemacht. Doch sein Fahrgast hatte nicht darüber gesprochen, wen er treffen wollte, und warum.
    Macht nichts, entschied Bobby. Nur der Auftrag zählt, und bei diesem gibt es eine Zulage, wenn alles gut geht. Ich danke euch, ihr Leute da draußen, dass ihr alle Flüge zur Bradley-Farm ausgebucht habt, dachte Bobby, sodass Matthias ein Auto mit mir als Fahrer mieten musste. Aber das macht ihn nicht arm. Der Mann scheint reichlich Geld zu haben. Forscht und lehrt an einer Universität in Stuttgart, irgendwas mit Kunst und Archäologie. Ist zwar eine lange Fahrt, aber ich werde ein bisschen frei haben, wenn wir da sind. Dann kann ich ein paar Bierchen mit meinen Kumpels zischen. Ach, das Leben kann so schön sein, wenn einem das Glück hold ist! Er begann zu summen, dann sah er wieder zu seinem Fahrgast.
    Eigentlich ist er ja ganz nett. Sieht sehr deutsch aus. Helles Haar, blaue Augen, rötliche Gesichtsfarbe, übergewichtig, irgendwie schwammig, vermutlich Mitte fünfzig. Bisschen zu ernst für meinen Geschmack – hat über keinen meiner Witze gelacht. Aber vielleicht kommt er ja mit meinem Akzent nicht klar, überlegte Bobby. Hat mich gefragt, welche Sprachen ich spreche, und schien überrascht, als ich sagte, nur Englisch. Naja, das kommt davon, wenn man eine Mischung aus Chinese, Aborigine und Ire ist. Da erwarten die Leute alles Mögliche.
    Schließlich regte Matthias sich wieder. »Erstaunlich«, sagte er erfreut. »Offenbar ist hier draußen jeder Sonnenaufgang spektakulär.«
    »Sehen Sie sich gut um, Kumpel. Was Besseres finden Sie nirgendwo.« Bobby deutete auf die rot-goldenen Bergketten in der Ferne, die gelbbraune, mit Spinifex-Horsten gesprenkelte Erde, ausgetrocknetes Grasland, Termitenhügel und die hohen, dürren Bäume, an denen sich beinahe jeder Zweig wie aus Verzweiflung krümmte.
    Rechts oben am Himmel bewegte sich etwas, nicht allzu hoch, vielleicht ein Adler. Bobby sah hin. In diesem Augenblick schoss etwas auf der Beifahrerseite aus dem Busch, und im nächsten Moment erschütterte ein Aufprall den Wagen: Sie waren mit einem großen alten Känguru kollidiert. Es wurde auf die Motorhaube katapultiert, zertrümmerte die Windschutzscheibe und stürzte zurück auf die Straße. Das Auto geriet ins Schleudern, raste durch den niedrigen Busch und prallte gegen einen großen Felsen.
    »Scheiße!« Bobby beugte sich zu Matthias hinüber. »Sind Sie okay? Passen Sie auf, die Glasscherben. Himmel, was für ein Schlamassel.« Er stieg aus und untersuchte das Känguru. »Der ist hinüber. Verdammt, und die Kiste auch. Mr. Choy wird ausrasten.«
    Matthias kletterte auf der Fahrerseite hinaus. »Meine Tür hat sich verklemmt. Was machen wir jetzt? Wo kriegen wir Hilfe
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