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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1
Autoren: Sigrid Undset
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Ritter und Hofmann im Festgewand schien nicht von so vornehmer Geburt zu sein wie er in seinen groben Hauskleidern. Er war sehr schön gewachsen, groß, mit breiten Schultern und schmalen Hüften; der Kopf war klein und saß schön auf dem Hals, und er hatte hübsche, ein wenig längliche Gesichtszüge - nicht zu volle Wangen, ein schöngerundetes Kinn und einen wohlgebildeten Mund. Seine Gesichtsfarbe war hell und frisch, die Augen grau und das Haar dicht und glatt und seidig blond.
    Er blieb stehen und sprach mit Isrid über ihre Angelegenheiten, fragte auch nach Tordis, einer Verwandten Isrids, die in diesem Sommer auf der Alm des Jörundhofes Sennin war. Sie hatte kürzlich ein Kind bekommen; Isrid wartete nur auf eine Gelegenheit, sichere Begleitung durch den Wald zu finden, dann wollte sie den Knaben herunterholen und ihn taufen lassen. Da sagte Lavrans, sie könne mit ihnen hinaufgehen, er wolle am nächsten Abend wieder herunterkommen, und es wäre
    gut und beruhigend für sie, wenn so viele Männer bei ihr und dem heidnischen Kinde wären.
    Isrid dankte. „Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so habe ich auf dieses Angebot gewartet. Wir wissen, wir armen Leute hier oben unter dem Berg, daß du, wenn du hierherkommst, uns einen Freundschaftsdienst erweisest, so du kannst.“ Sie lief hinauf, um ein Bündel und einen Umhang zu holen.
    Es verhielt sich so, daß Lavrans sich unter diesen kleinen Leuten, die auf Rodungen und Siedlungen hoch oben am Rande der Gemeinde wohnten, wohl fühlte; bei ihnen war er immer froh und zum Scherzen aufgelegt. Mit ihnen sprach er von dem Leben der Tiere des Waldes und der Renntiere auf den Bergweiten und von all dem Spuk, der sich an solchen Orten zeigt. Und er stand ihnen mit Rat und Tat und mit Hilfeleistungen bei, besah ihr krankes Vieh, stand mit ihnen am Amboß und bei der Zimmermannsarbeit, ja half ihnen bisweilen mit seinen großen Kräften aus, wenn sie die ärgsten Steine oder Wurzeln ausbrechen mußten. Deshalb begrüßten diese Menschen Lavrans Björgulvssohn und Guldsvein, seinen großen roten Hengst, stets mit Freuden. Guldsvein war ein schönes Tier mit glänzendem Fell, weißer Mähne und weißem Schweif und hellen Augen - stark und mächtig, so daß man von ihm in den Tälern sprach; aber gegen Lavrans war der Hengst fromm wie ein Lamm, und sein Herr pflegte zu sagen, daß er ihn so liebhabe wie einen jüngeren Bruder.
    Das erste, was Lavrans zu tun gedachte, war, nach dem Scheiterhaufen auf dem Heimberg zu sehen. Denn in den harten Zeiten des Unfriedens vor hundert oder noch mehr Jahren hatten die Bauern an einigen Stellen längs den Tälern Wächterhütten und Holzstöße auf den Bergen errichtet, ähnlich den Meldefeuern an der Küste entlang. Aber diese Warnungsanlagen im Gebirge gehörten nicht zur Landesverteidigung. Die Bauerngilden hielten sie instand, und die Gildenbrüder wechselten einander in der Wartung ab.
    Als sie an die erste Alm kamen, ließ Lavrans alle Pferde, mit Ausnahme des Saumtieres, auf dem Anger frei laufen, und dann folgten die Leute einem steilen Fußpfad aufwärts. Es währte nicht lange, bis der Wald hier lichter wurde. Große Kiefern standen tot und weiß wie Knochengerüste in den Mooren - und nun sah Kristin nackte graue Felsen zum Himmel aufragen. Sie stiegen weite Strecken durch Geröllfelder empor, und manch-
    mal rann ein Bach auf dem Fußpfad, so daß der Vater sie tragen mußte. Der Wind blies kräftig und frisch dort oben, und im Heidelbeerkraut war es schwarz von Beeren, aber Lavrans sagte, sie könnten jetzt nicht stehenbleiben und pflücken. Arne lief bald voran als erster, bald weit hinten als letzter, riß Zweige mit Beeren für Kristin ab und erzählte, wem die Almen gehörten, die sie unter sich im Walde liegen sahen - denn damals war der ganze Hövringshang mit Wald bestanden.
    Und jetzt befanden sie sich unter dem letzten und nackten Felskegel und sahen den mächtigen Scheiterhaufen aus Stämmen gegen den Himmel und die Wächterhütte im Schutze einer Felswand.
    Als sie auf die Höhe kamen, fuhr ihnen der Wind entgegen und verfing sich in ihren Kleidern, so daß es Kristin schien, als sei er ein lebendes Wesen, das hier oben wohne und ihnen entgegenkomme und sie begrüße. Der Wind blies und flackerte, während sie mit Arne über die bemoosten Flächen hinschritt. Die Kinder setzten sich auf einen Felsvorsprung, und Kristin starrte mit großen Augen hinaus - nie hatte sie gedacht, daß die Welt so weit und groß
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