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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1
Autoren: Sigrid Undset
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haben, so wie jene Missetäter, denen du so wohlwillst.“
    „Dünkt dich, ich wolle ihnen so wohl, weil ich ihnen ein wenig Besseres gönne als gerade das Allerschlimmste“, sagte Lavrans und lächelte. „Aber komm jetzt, wir wollen sehen, was für eine Labung Ragnfrid uns heute zugedacht hat.“ Er nahm Kristin bei der Hand und führte sie mit sich. Und er beugte sich zu ihr hinab und sagte leise: „Ich dachte an deine drei kleinen Brüder, kleine Kristin.“
    Sie schauten in die Wächterhütte hinein, die Luft war stickig dort und roch faulig. Kristin durfte sich einen Augenblick darin umsehen, es waren nur einige Erdbänke längs den Wänden, eine Feuerstätte mitten im Raume und dann noch Fässer mit Teer und einige Bündel Kienspäne und Birkenrinde. Lavrans meinte, sie sollten draußen essen, und ein wenig weiter unten fanden sie an einem Birkenhang eine schöne grüne Wiesenfläche.
    Sie nahmen dem Saumtier die Last ab und streckten sich im Gras aus. Und es zeigte sich, daß Ragnfrid ihnen viel und gutes Essen mitgegeben hatte: weiches Brot und feine Fladen, Butter und Käse, Speck und luftgedörrtes Renntierfleisch, fette gekochte Kuhbrust, zwei große Lägel mit deutschem Bier und ein kleines Fäßchen Met. Da ging es rasch ans Fleischschneiden und Austeilen, während Halvdan, der älteste der Männer, Feuer schlug - es war heimischer, hier im Walde ein Feuer zu haben.
    Isrid und Arne holten Beerenkraut und Zwergbirken und warfen sie ins Feuer; es knisterte, wenn das Feuer das frische Grün von den Zweigen riß und kleine weiße verbrannte Flocken hoch über der roten Mähne der Lohe flattern ließ; der Rauch wirbelte fett und dunkel in den klaren Himmel empor. Kristin saß da und betrachtete die Flammen; ihr schien, das Feuer sei froh darüber, hier draußen und frei zu sein und spielen zu dürfen. Das war etwas anderes, als wenn es daheim auf der Feuerstätte hocken und sich mit dem Kochen plagen und ihnen die Stube erleuchten mußte.
    Sie saß da und lehnte sich an den Vater, den einen Arm über seinem Knie; er gab ihr vom Besten, was da war, soviel sie haben wollte, und redete ihr zu, vom Bier zu trinken, soviel sie konnte, und fleißig den Met zu kosten.
    „Sie wird so berauscht, daß sie nicht zur Alm hinuntergehen kann“, sagte Halvdan und lachte, aber Lavrans fuhr ihr über die runden Wangen.
    „Nun, dann sind wir Leute genug, um sie hinunterzutragen. Es tut ihr gut; trink du auch, Arne, ihr seid noch im Wachsen, euch tun Gottes Gaben gut und keinen Schaden - das gibt süßes rotes Blut und guten Schlaf und weckt nicht Tollheit und Unverstand.“
    Nun tranken die Männer fleißig und viel; auch Isrid verschmähte nichts, und bald klangen ihre Stimmen und das Knattern und Sausen des Feuers wie ein ferner Lärm an Kristins Ohren - ihr wurde der Kopf allmählich schwer. Sie hörte noch, daß sie Lavrans ausforschten und ihn dazu bringen wollten, zu erzählen, was er auf seinen Jagden für seltsame Dinge vernommen habe. Aber er wollte nicht viel sagen, und das gab ihr ein so sicheres und ruhiges Gefühl - und dann war sie so satt.
    Der Vater saß mit einem Laib weichen Gerstenbrotes in der Hand da; er formte kleine Stücke zwischen den Fingern, bis sie Pferden glichen, schnitt kleine Bissen vom Fleisch ab und setzte sie quer auf die Brotpferde; dann ließ er sie über seinen Schenkel reiten und in Kristins Mund hinein. Aber bald war sie so müde, daß sie weder den Mund aufmachen noch kauen wollte -und dann fiel sie zurück auf die Erde und schlief.
    Als sie wieder zu sich kam, lag sie warm und dunkel im Arm ihres Vaters - er hatte seinen Umhang um sie beide gelegt. Kristin setzte sich auf, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und nahm die Haube ab, damit die Luft ihr feuchtes Haar trocknen konnte.
    Es mußte schon spät am Tage sein, denn der Sonnenschein war ganz gelb, und die Schatten hatten sich gestreckt und fielen nun gegen Südosten.
    Es rührte sich kein Wind mehr, und Mücken und Fliegen summten und surrten um die Schar der schlafenden Menschen. Kristin saß mäuschenstill, kratzte ihre von Mücken zerstochenen Hände und blickte um sich - die Felskuppe über ihnen schimmerte weiß von Moosen und gelb von Flechten im Sonnenbrand, und der aufgerichtete Haufen von windgebrochenen Stämmen hob sich wie das Knochengerippe irgendeines seltsamen Tieres gegen den Himmel ab.
    Ihr wurde allmählich ängstlich zumute - es war so sonderbar, alle die Leute in dem hellen und klaren Tageslicht
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