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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1
Autoren: Sigrid Undset
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denn das Kind habe doch nur das erhalten, was es verdient habe, wenn es bei einem solch lästerlichen Spiel dabeigewesen sei. So erwähnte Lavrans die Sache nicht weiter, doch Arne gab er die ärgsten Schläge, die der Knabe jemals bekommen hatte.
    Deshalb zupfte Arne, als sie an dem Stein vorbeiritten, Kristin am Ärmel. Etwas zu sagen, wagte er nicht, um Lavrans’ willen, aber er schnitt ein Gesicht, lächelte und klopfte sich aufs Hinterteil. Doch Kristin senkte beschämt den Kopf.
    Der Weg führte in dichten Wald hinein. Sie ritten unter Felswänden dahin; das Tal wurde eng und dunkel, und das Rauschen des Flusses war stärker und lauter zu hören; wenn sie einen Schimmer von ihm erblickten, sahen sie, wie er eisgrün mit weißem Schaum zwischen schroffen Steinwänden dahinbrauste. Die Berghänge auf beiden Seiten des Tales waren schwarz von Wäldern; es war dunkel und unheimlich und eng in der Talschlucht, und ein kalter Hauch strich über sie hin. Sie ritten auf einen Steg zu, und bald sahen sie die Brücke, die unten im Tal über den Fluß führte. In einer Höhle, ein wenig unterhalb des Steges, wohnte ein Neck; Arne wollte Kristin von ihm erzählen, aber Lavrans gebot dem Knaben streng, mit solchem Geschwätz hier im Walde zu schweigen. Und als sie zum Steg kamen, sprang er vom Pferde und' führte es am Zaum hinüber, während er mit dem anderen Arm das Kind um die Mitte festhielt.
    Auf der anderen Seite des Flusses führte ein Saumpfad steil in die Höhe, die Männer saßen von den Pferden ab und gingen zu Fuß, und der Vater hob Kristin in den Sattel, so daß sie sich am Sattelknauf festhalten konnte, und so durfte sie Guldsvein allein reiten.
    Unbekannte graue und blaue Felsen mit weißen Streifen von Schnee erhoben sich über den Berghängen, je höher sie hinaufkamen, und jetzt konnte Kristin zwischen den Bäumen einen Schimmer der Höfe nördlich der Klamm sehen, und Arne deutete hin und nannte die Namen der Höfe, die sie unterscheiden konnten.
    Hoch oben im Wald gelangten sie zu einer kleinen einsamen Ansiedlung. Sie machten am Zaun halt; Lavrans rief laut, und der Ruf wurde lange zwischen den Bergen hin und her geworfen. Zwei Männer kamen zwischen den kleinen Ackerfetzchen heruntergelaufen. Es waren die beiden Söhne auf dem kleinen Berghof. Sie waren tüchtige Teerbrenner, und Lavrans wollte sie dazu dingen, für ihn Teer zu brennen. Ihre Mutter folgte ihnen mit einer großen Schüssel kalter Milch, denn es war ein warmer Tag geworden, wie die Männer erwartet hatten.
    „Ich sah, daß du deine Tochter mitgenommen hast“, sagte sie, als sie gegrüßt hatte, „mich dünkte, ich müßte sie doch sehen. Du mußt ihr die Haube abnehmendes heißt, sie habe so schönes Haar.“
    Lavrans tat, worum die Frau ihn bat, und Kristins Haar fiel ihr über den Rücken bis zum Sattel hinab. Es war dicht und golden wie reifer Weizen. Isrid, die Frau, griff hinein.
    „Ja, nun sehe ich, das Gerücht hat keine zu großen Worte über diese deine kleine Tochter verbreitet - sie ist eine Lilie und sieht aus wie das Kind eines Ritters. Auch sanfte Augen hat sie - sie gleicht dir und nicht den Gjeslingern. Möge Gott dir Freude an ihr vergönnen, Lavrans Björgulvssohn! Und Guldsvein reitest du so stramm wie ein Hofmann“, scherzte sie und hielt die Schüssel, aus der Kristin trank.
    Das Kind errötete vor Freude, denn es wußte wohl, daß der Vater für den schönsten Mann weit und breit galt. Und er sah aus wie ein Ritter, wie er dort zwischen seinen Leuten stand, obwohl er eher bäuerisch gekleidet war, so wie er daheim alltags zu gehen pflegte. Er trug einen ziemlich weiten und kurzen Kittel aus grüngefärbtem Fries, am Halse offen, so daß man das Hemd sah; außerdem hatte er Strümpfe und Schuhe aus ungefärbtem Leder an und auf dem Kopfe einen altmodischen breitrandigen Filzhut. An Schmuck trug er nur eine glatte silberne Spange am Gürtel und eine kleine Nadel im Hemd; außerdem war am Hals ein Stückchen einer goldenen Halskette zu sehen. Diese trug Lavrans immer, und an ihr hing ein goldenes Kreuz, mit großen Bergkristallen besetzt; man konnte es öffnen, und darin lag ein Restchen von dem Totenhemd und dem Haar der heiligen Frau Elin von Skövde, denn die Lagmannssöhne führten ihr Geschlecht auf eine der Töchter dieser seligen Frau zurück. Wenn Lavrans im Wald war oder seiner Arbeit nachging, pflegte er das Kreuz unter das Hemd auf die bloße Brust zu schieben, um es nicht zu verlieren.
    Mancher
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