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0469 - Tödlicher Flammengruß

0469 - Tödlicher Flammengruß

Titel: 0469 - Tödlicher Flammengruß
Autoren: Jason Dark
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Die beiden Kollegen winkten sich noch einmal zu. Leroy Edson schaute auf seine Uhr. Bis zur ersten Fahrt hatte er noch etwas Zeit. Er fuhr die Northern Line. An der nördlichen Endhaltestelle High Barnett hatte er den Zug übernommen. Der Weg würde ihn in den Süden führen und dann wieder zurück.
    Es waren einige Meilen quer durch London. Von seiner Frau hatte Leroy Kaffee mitbekommen. Der schwappte in der Thermoskanne, die er aufdrehte. Vor der Fahrt brauchte er immer einen Schluck.
    Leroy Edson mochte seinen Job, auch wenn er nicht reich werden konnte. Manchmal schaute er sich die Fahrgäste an. Viele von ihnen sahen aus, als wüßten sie nicht, was sie am anderen Tag essen sollten. Wahrscheinlich hatten auch einige keine Fahrkarten. Das war nicht sein Problem, sollten sich die Kontrolleure darum kümmern. Sie waren die meistgehaßten Personen auf der Strecke.
    Edson hatte seinen Zeitplan immer eingehalten. Auch an diesem Nachmittag startete er pünktlich. Er kannte die Stationen auswendig. Manchmal träumte er sogar in der Nacht davon. Dann reihten sie sich nacheinander auf. Finchley, Highgate King's Cross, wie sie alle hießen.
    Edson gab zu, daß er das Rattern der Wagen brauchte. Wenn die Räder über Schienen rollten, war das Musik in seinen Ohren, die ihn anmachte.
    Dann war es wieder soweit. Der Tunnel fraß ihn. Er kam ihm auch heute noch vor wie ein gieriges Maul, ein düsterer Schlund, in den die Wagenschlange hineinjagte.
    Die Tunnellampen der Notbeleuchtung sah er während der Fahrt kaum. Alles huschte vorbei, wurde zu verschwimmenden Schatten, so daß er des öfteren das Gefühl bekam, die Materie würde sich auflösen.
    Das waren Dinge, die längst zu seinem selbstverständlichen Tagesablauf gehörten, ebenso wie das Schlagen der Türen oder der Stimmenwirrwarr auf den Bahnsteigen.
    Die Stunden vergingen. Noch herrschte Betrieb. Der würde jedoch bald abflauen. Bei Geschäftsschluß drängten die Fahrgäste dann wieder in den Wagen, und später fuhren viele Züge halbleer.
    Zwischenfälle hatte es auch schon gegeben. Schlägereien in den Wagen, auch eine Schießerei. Manche zogen auch Messer und bedrohten andere Fahrgäste, besonders auf den nördlichen Streckenabschnitten, weniger auf denen in der City.
    Doch diese Schicht sollte alles in den Schatten stellen, was Leroy bisher in seinen neun Dienstjahren erlebt hatte. Eigentlich hätten gewisse Vorgänge ihn schon warnen müssen.
    Es war auf der Fahrt von Süd nach Nord, und die City of London lag hinter ihm, als er in den Bahnhof Camdon Town einfuhr.
    Die U-Bahn schoß aus dem Tunnelloch in den kalten Schein der Stationslichter.
    Bremsen, Zischen, rollende Geräusche-, kalter Wind, der durch die Schächte zog. Menschen, die auf dem Bahnsteig warteten und froren. Bleiche Gestalten, manche verbittert aussehend, andere eher nachdenklich oder erschöpft, wenn sie von der Arbeit kamen.
    Der Zug hielt.
    Das Aufschlagen der Türen, die hastigen Schritte der Reisenden, wieder andere Stimmen, manchmal auch ein Schreien oder ein Lachen, es war immer das gleiche und trotzdem anders.
    Die Türen schlossen.
    Hämmernde Geräusche erklangen, wenn sie zuflogen. Abgesperrt, ein Rucken lief durch den Zug, als er startete und in das dunkle Maul hineingepreßt wurde.
    Die Stirnlampen des Zuges stachen in die Finsternis.
    Leroy Edson hockte auf seinem Drehstuhl. Er hatte die Jacke ausgezogen, ihm war einfach zu warm. Wie immer starrte er in den Schacht, als würde er dort etwas sehen.
    Und er sah tatsächlich etwas.
    Eine Bewegung, ein Mann, dazu heller Schein - Feuer!
    Er war nicht einmal für die Länge einer Sekunde zu erkennen. In dieser Zeitspanne konnte Edson kaum reagieren, aber er hatte sich die Gestalt trotzdem ansehen können.
    Groß, grauhaarig, dunkel und gleichzeitig mit dem Feuer spielend, das auf seiner Hand zu tanzen schien.
    »Geh weg!« rief Edson!
    Der unbekannte Schienentänzer schien die Worte gehört zu haben. Einen Augenblick später war er tatsächlich verschwunden, und die Bahn raste über die Stelle hinweg, wo er vor nicht einmal einer Sekunde noch gestanden hatte.
    Leroy Edson wischte über sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf. Aus seinem Mund drang ein krächzendes Lachen, und er fragte sich, ob er das alles nur geträumt hatte.
    Bestimmt…
    Dennoch wollte er daran nicht glauben. Er wurde alle drei Monate ärztlich untersucht. Auf diesen verantwortungsvollen Posten konnten nur gesunde Leute gestellt werden, und Tunnel-Halluzinationen
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