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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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|7| PROLOG
Die nachlassende Kraft der Poesie
    Sie hätte gerne ein Gedicht, sagt Teresa, und für eine Sekunde, die eine Ewigkeit dauert, wird es still im Haus.
    Robert Enke sieht seine Frau fragend an, unsicher, ob sie das ernst meint. Ein Gedicht soll er ihr zum Geburtstag schenken?
     »Das wäre doch mal schön«, sagt Teresa beiläufig und denkt schon bald nicht mehr daran.
    Er dagegen wird die Idee nicht mehr los.
    Es ist einige Jahre her, seit er das letzte Mal ein Gedicht gelesen, geschweige denn geschrieben hat. Er versucht, sich daran
     zu erinnern. Ein Gedicht, findet er, muss sich reimen, ein schönes Gedicht, glaubt er, sei wie ein angedeutetes Lächeln, mit
     feinem Humor zwischen den Zeilen. Mit dieser Idee im Kopf beginnt Robert Enke zu schreiben.
    An manchem Nachmittag lügt er Teresa an, er ginge kurz in sein Büro, Steuerunterlagen abheften, Banküberweisungen erledigen.
     Dann sitzt er mit Kugelschreiber und einem Schmierblatt am Schreibtisch. Der Blick schweift in den Garten. Ein einziges riesiges
     Fenster bildet die Rückseite seines Büros, es ist ein behagliches Gefühl, wenn im Frühling die Sonnenstrahlen durch die Scheibe
     auf ihn fallen. Jetzt im Winter allerdings ist es am Schreibtisch weniger angenehm. Die Heizung in seinem Büro funktioniert
     nur leidlich. Ihr Haus in Empede, auf dem flachen niedersächsischen Land, ist ein umgebauter Bauernhof. Sein Büro war der
     Stall.
    Krumm und ruppig sehen die Worte aus, die er auf das Papier bringt, er benutzt die wertvollen Finger eines Fußballtorwarts
     nur selten zum Schreiben. Doch in seinem Kopf formen sich die Worte immer schneller zu Reimen, eine Freude ergreift ihn, |8| nicht so flutartig wie das Glück, wenn er einen schwierigen Schuss über die Torlatte lenkt, eher sanft, aber doch so intensiv,
     dass Robert Enke immer mehr schreiben muss, im Büro, im Hotel am Abend vor einem Bundesligaspiel, auf Schmierzetteln, auf
     Rechnungsrückseiten. Manchmal, wenn er kein Papier zur Hand hat, tippt er seine Einfälle ins Handy. Als der große Tag, der
     18. Februar 2009, gekommen ist, hat er ein Gedicht mit 104 Zeilen geschrieben.
    Er gratuliert Teresa noch im Bett zum Geburtstag. Während sie ins Bad geht, schleicht er hinaus in die Diele und lässt die
     Hunde ins Freie. Sie haben neun, dazu zwei Katzen. Teresa hat sie in ihren Jahren in Südeuropa auf der Straße aufgelesen.
     Zu ihrem vorherigen Geburtstag wünschte sie sich ein Hausschwein. Er entschied sich, es für einen Witz zu halten.
    Er zündet im Wohnzimmer Kerzen an.
    »Lass uns das mit den Geschenken doch heute Nachmittag machen, wenn wir mehr Ruhe haben«, sagt Teresa, als sie hereinkommt.
    Er schüttelt den Kopf, es dauere nicht lange, er bittet sie, sich doch nur kurz an den alten Bauerntisch zu setzen, er drückt
     sie sanft an den Schultern auf den Stuhl und hört dabei nicht auf, vor Vorfreude zu lächeln. Dann nimmt er auf der anderen
     Seite des Tischs Aufstellung.
    Er legt sein Gedicht vor sich. Aber er spricht frei.
    Zum Geburtstag, was soll es sein?
    Ein Diamant, ganz groß und rein?
    Oder doch die Uhr vom Juwelier?
    Bielert ist nicht teuer, glaube mir.
     
    Wie wäre es mit einem Schwein für das Haus?
    Das schließt der Robbi komplett aus.
     
    Katzen, Pferde oder ein Hund,
    nein, jetzt wird’s mir doch zu bunt.
    Es muss doch noch was anderes geben,
    wonach Teresa strebt im Leben.
     
    |9|
Ja, sie wünscht sich ein Gedicht!
    Mir treibt’s ein Lächeln ins Gesicht.
    Endlich mal nicht groß, viel, teuer,
    trotzdem ist es mir nicht geheuer.
    Teresa ist still vor Glück. Strophe für Strophe trägt er ihr halbes Leben vor, der Umzug nach Empede, ihre Tierliebe, auch
     der Tod ihrer Tochter Lara, die mit einem schweren Herzfehler auf die Welt kam und mit zweieinhalb Jahren nach einer Operation
     starb,
Dann kam Lara mit halbem Herzen / das bereitete uns Schmerzen / doch sie war stark, und man bedenke / es handelt sich um eine
     Enke
. Als sein Vortrag zu Ende ist, hat Teresa Tränen in den Augen. Sie sagt nur einen Satz: »Bitte lies es mir noch einmal vor.«
    Er beginnt von vorne, alle 26 Strophen, 104 Zeilen. Am Ende reimt er:
    Man fragt sich, wie geht es jetzt weiter
    auf unserer langen Lebensleiter?
    Bleibt der Opi, bleibt er nicht?
    Ist ein Umzug bald in Sicht?
     
    Ich mache mir keine großen Sorgen,
    das Heute geht, es kommt das Morgen.
    Nur eins ist sicher, hör auf mich:
    Ich brauche und ich liebe Dich!
    Robert Enke ist 31, Torwart der deutschen
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