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Neptuns Tochter 2

Neptuns Tochter 2

Titel: Neptuns Tochter 2
Autoren: Terry Waiden
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» I ch komme in vier Tagen zurück. Meinst du, dass du dann zu Hause sein kannst?«
    »Ja, ja«, antwortete Timea Illay. Sie starrte auf den Artikel, der ihr aus der Tageszeitung entgegensprang. Das Bild darin, es wurde größer und größer. Bis es ihr gesamtes Blickfeld eingenommen hatte. Vielleicht war es Einbildung. Trotzdem war sich Timea sicher: Irgendetwas störte. Aber was?
    Sie beugte sich noch weiter über die Zeitung und nickte. Der Mund. Er lächelte – und tat es doch wieder nicht. Die Grübchen fehlten. Darum erkannte sie das Lächeln nicht. Darum wirkte das Gesicht so fremd.
    Und die Augen? Waren sie nicht glanzlos?
    Timea hob die Seite etwas an, um besser sehen zu können. Und ließ sie sofort wieder fallen. Das war doch albern. Als ob das aus einem Foto ersichtlich wäre.
    »Timea Illay. Kann es sein, dass du nebenbei Zeitung liest?«
    Der Tonfall brachte Timea dazu, ihre Aufmerksamkeit auf das Telefonat zu richten. »Tut mir leid, Großmutter. Ich leg sie gleich weg«, versprach sie zerknirscht.
    »Was steht denn so Interessantes drinnen, dass du deine guten Manieren vergisst?«, fragte die Großmutter.
    »Das ist nicht wichtig«, murmelte Timea und räusperte sich sofort. Ihre Großmutter hatte Respekt verdient und keine lapidaren Antworten. »Es ist nur etwas, das mich überrascht hat«, erklärte Timea. »Aber keine Katastrophe.«
    »Bist du sicher?«, hakte die Großmutter nach. »Für mich klingst du eher schockiert.«
    »Das hört sich nur so an.« Timea seufzte. »Die letzten Wochen haben mich etwas ausgelaugt. Mehr ist da nicht.«
    »Ich weiß nicht«, meinte die Großmutter.
    Zum Glück war sie weit weg, konnte also das Wippen von Timeas Bein nicht spüren. »Aber ich weiß es«, erwiderte Timea entsprechend selbstsicher. Sie hatte das Riff umschifft. Dachte sie. Da stand es schlagartig vor ihr; wie bei einer Leuchtreklame, in riesigen Lettern: ›Timea Illay hat sich blenden lassen von Mikaela David‹. Spott und Hohn waren darin erkennbar. Zu glauben, dass Mika materielle Werte nicht wichtig wären . . . sie für etwas Besonderes zu halten . . . Wie naiv.
    »Ich will jetzt endlich eine Antwort, junge Dame.«
    Timea starrte wieder auf den Artikel. Ihre Augen konnten sich nicht davon lösen. »Nicht jetzt, Großmutter. Wir reden, wenn du zurück bist.«
    »Was ist denn los, Liebes?«, drang es jetzt sanft aus dem Hörer.
    »Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut«, versuchte Timea ihre Großmutter noch einmal zu beruhigen. Mit einem leisen »bis in vier Tagen« verabschiedete sie sich. Sie brauchte Zeit, um sich zu sammeln, um die Nachrichten zu verdauen.
    War sie wütend?
    Nicht wirklich.
    Oder doch. Sie war wütend – auf sich selbst. Sie war schwach geworden. Das hätte nicht passieren dürfen. Sie hätte ihren Gefühlen nicht nachgeben dürfen. Etwas, das sich bestimmt nicht wiederholen würde. Gefühle lenkten nur vom Wesentlichen ab, wurden sowieso überbewertet.
    Ablenkung. Befriedigung körperlicher Bedürfnisse – das boten die Frauen dieser Welt. Diese Karinas, Sandras, Mikaelas . . . oder wie sie alle hießen. Ansonsten machte man am besten einen weiten Bogen um sie. Denn am Ende blieb immer ein bitterer Nachgeschmack.
    Timea schaute auf ihre gespreizten Finger, fühlte, wie die Anspannung darin langsam den Körper entlang kroch. Wie eine Schlange auf der Suche nach Beute. Das anvisierte Opfer war Timeas Selbstbeherrschung.
    »Warum habe ich ihr das Getue bloß abgekauft?«, zischte sie.
    Diese strahlenden Augen waren schuld. Die hatten Timea eingelullt, ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte. Darum hatte sie sich auch auf die gemeinsamen Pausen eingelassen.
    Wobei . . . zum ersten Mal, seit sie diese vermaledeite Zeitung aufgeschlagen hatte, spürte Timea so etwas wie ein Lächeln im Gesicht. Sie waren schön gewesen, die Pausen. Und amüsant. Mikas aufbrausendes Temperament, wenn sie Ungerechtigkeiten witterte, und ihre Methoden, dagegen anzukämpfen.
    Beinahe hätte Timea den Grund vergessen, weshalb ihre Hände die Zeitung festhielten, als wollten sie das Papier entzweireißen. Aber nur beinahe. Bei dem Vater kann man leicht mit dem Feuer spielen , fiel ihr rechtzeitig ein.
    Sie las sich noch einmal durch den Bericht. Die Worte standen immer noch da – schwarz auf grau. Erst nach dem dritten Mal lesen schloss sie langsam die Zeitung. Bedächtig faltete sie sie zu immer kleiner werdenden Vierecken zusammen, bis Mikas Bild in einem Wust aus Papier
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