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Himmel un Ääd (German Edition)

Himmel un Ääd (German Edition)

Titel: Himmel un Ääd (German Edition)
Autoren: Brigitte Glaser
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EINS
    Wer in Köln hoch
hinauswill, der feiert gern weit oben. So auch Dr. Dirk Bause, der Gastgeber
des heutigen Abends im LVR -Turm. Klein wie
Napoleon, aber deutlich dicker als der berühmte Franzose stolzierte er an der
breiten Fensterfront entlang, deutete in Feldherrenmanier auf die Stadt zu
seinen Füßen und dabei immer wieder auf ein Haus, irgendwo zwischen Dom und dem
alten Polizeipräsidium gelegen, und erzählte jedem, ob er es hören wollte oder
nicht, dass in ebendiesem Fünfziger-Jahre-Billigbau seine Karriere begonnen
hatte. Bause hatte sein Geld in der IT -Branche
gemacht, schon frühzeitig die Morgenluft der digitalen Welt geschnuppert und
aufs richtige Pferd gesetzt. Deshalb saß er heute nicht mehr in dieser billigen
Zwei-Zimmer-Wohnung, sondern direkt am Rhein im mittleren der drei neu gebauten
Kranhäuser, das er seinen Gästen bei seinem Rundgang selbstverständlich
ebenfalls zeigte.
    Software wurde in
allen Bereichen gebraucht, entsprechend bunt gemischt war die Gästerunde des
heutigen Abends. Ich erkannte zwei alternde Talkmaster und einige WDR -Leute, die schon mal bei mir in der »Weißen Lilie«
gegessen hatten. Bei den anderen Gästen konnte ich nur spekulieren.
    Die Herrenrunde
rechts hinten, Hände in den Hosentaschen, breitbeinig, bereit, die Stadt mit
Füßen zu treten. Bauunternehmer?
    Die Männer in
feinerem Zwirn direkt vor der Silhouette des nachtblau leuchtenden Musical
Dome, die mit hastigen Blicken kontrollierten, ob jemand ihren Winkelzügen
lauschte. Banker?
    Das Klübchen in
perlgrauen Anzügen, ganz nah beim Kölschfass, mit fiebrigem Zockerblick das
Bier hinunterschüttend. Bankrotteure?
    In der lautstark
schwadronierenden Truppe im Vordergrund, die die glitzernde Stadt unter sich
vergessen zu haben schien, erkannte ich einige Gesichter aus der Presse.
Lokalmatadore der Kommunalpolitik, die mal wieder im Kölner-Politik-Eintopf
rührten und ihn mit deftigem Klüngel würzten.
    Die Damen in edlem
Schwarz daneben sahen eindeutig nach Kultur aus. Versteinert wie
frischgebackene Witwen blickten sie über den Rhein zu den golden glänzenden
Dächern des Museums Ludwig. Trauerten sie den Zeiten nach, als die Stadt noch
Geld für so prachtvolle Projekte ausschütten konnte? Oder fühlten sie sich nur
unwohl inmitten der von Männern dominierten Runden?
    Nein, ganz hinten
gab es eine weitere Frauengruppe: gestandene Mittfünfzigerinnen mit Hüftgold,
Falten, gefärbten Haaren und allem, was zum Altern dazugehörte. Aus dieser
Runde löste sich eine Lady in quietschbuntem Seidenmantel und spazierte nickend
zwischen den verschiedenen Grüppchen umher. Was hatte sie mit dieser Stadt oder
mit Bause zu schaffen? Was oder wen suchte sie?
    Ich folgte ihrem
Gang und blieb bei Leuten hängen, die ich bisher nicht im Fokus gehabt hatte.
Ein fröhlicher Zirkel, alle jung. Bauses Kinder mit Freunden? Hey, da war ja
Minka! Ich guckte zweimal hin, bis ich mir sicher war. Altrosa Spitzen,
Spaghettiträger, die blonden Locken offen. Aufgebrezelt ein echter Schuss! Kein
Vergleich zu der blassen jungen Frau mit Pferdeschwanz, T-Shirt und Jeans, die
sie bei mir in der »Weißen Lilie« trug, wenn sie auf dem Spülposten arbeitete.
    Der quietschbunte
Seidenmantel pausierte bei den jungen Leuten und begrüßte eine kleine Kugel in
einem weinroten Paillettenkleid. Die Einzige in dieser Backfischrunde, die
nicht jung und schlank war, zudem die Einzige von all den Bause-Gästen, die ich
wirklich gut kannte. Adela Mohnlein. Sie rief: »Betty, wie schön!«, und
schüttelte fröhlich die Hand der Seidendame.
    Kurz darauf
zwängte sich Adela zwischen zwei junge Männer, die sie in die Backen zwickte,
um dann Minka an ihren Busen zu drücken. Adela halt!
    Meine Freundin und
Mitbewohnerin war früh pensionierte Hebamme und zu dieser Feier eingeladen,
weil sie vor über zwanzig Jahren Frau Bauses Kinder entbunden hatte. »So was
verbindet ungemein«, erklärte sie, wenn ich mich mal wieder darüber wunderte,
wen sie in dieser Stadt alles kannte.
    Zwei
Hüftgold-Damen, die sich nicht einigen konnten, ob die Crème brûlée oder die
Espressomousse mehr Kalorien hatte, zwangen mich mental auf meinen Posten am
Buffet zurück und ließen mich zur Lötlampe greifen, als die Wahl auf Crème
brûlée fiel. Ich karamellisierte die Zuckerschicht, wünschte guten Appetit.
    »Nichts mit
Schokolade?« Ein Zwerg mit papageiengrüner Krawatte drängte die Hüftgold-Damen
zur Seite und baute sich vor mir auf. Alles an ihm
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