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Wunder

Wunder

Titel: Wunder
Autoren: R.J. Palacio
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Normal
     
    Ich weiß, dass ich kein normales zehnjähriges Kind bin. Ich meine, klar, ich mache normale Sachen. Ich esse Eis. Ich fahre Fahrrad. Ich spiele Ball. Ich habe eine Xbox. Solche Sachen machen mich normal. Nehme ich an. Und ich fühl mich normal. Innerlich. Aber ich weiß, dass normale Kinder nicht andere normale Kinder dazu bringen, schreiend vom Spielplatz wegzulaufen. Ich weiß, normale Kinder werden nicht angestarrt, egal, wo sie hingehen.
    Wenn ich eine Wunderlampe finden würde und einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, ein normales Gesicht zu haben, das nie jemandem auffallen würde. Ich würde mir wünschen, dass ich die Straße entlanggehen könnte, ohne dass die Leute diese Sache machen, sobald sie mich sehen, dieses Ganz-schnell-woanders-Hinschauen. Ich glaube, es ist so: Der einzige Grund dafür, dass ich nicht normal bin, ist der, dass mich niemand so sieht.
    Aber inzwischen bin ich es irgendwie schon gewohnt, dass ich so aussehe. Ich kann so tun, als würde ich nicht merken, was die Leute für Gesichter machen. Wir sind alle schon ganz gut darin: ich und Mom und Dad und Via. Nein, ich nehm das zurück: Via ist nicht so gut darin. Sie kann echt sauer werden, wenn die Leute gemein sind. Einmal auf dem Spielplatz zum Beispiel, da haben einige ältere Kinder so Geräusche gemacht. Ich weiß nicht mal, was genau das für Geräusche sein sollten, weil ich sie gar nicht selber gehört habe, aber Via hat sie gehört, und sie hat gleich angefangen, die Kinder anzubrüllen. So ist sie eben. Ich bin nicht so.
    Für Via bin ich nicht normal. Sie behauptet es, aber wenn ich normal wäre, hätte sie nicht so sehr das Gefühl, mich beschützen zu müssen. Und auch Mom und Dad halten mich nicht für normal. Sie halten mich für etwas ganz Besonderes. Ich glaube, der einzige Mensch auf der Welt, der merkt, wie normal ich wirklich bin, bin ich.
    Ich heiße übrigens August. Ich werde nicht beschreiben, wie ich aussehe. Was immer ihr euch vorstellt – es ist schlimmer.

Warum ich nicht zur Schule gehe
     
    Nächste Woche komme ich in die fünfte Klasse. Da ich noch nie auf eine richtige Schule gegangen bin, stehe ich total und komplett neben mir. Die Leute glauben, ich wäre nie zur Schule gegangen, weil ich so aussehe, aber das ist es nicht. Es liegt an all den Operationen, die ich gehabt habe. Siebenundzwanzig seit meiner Geburt. Die größeren wurden durchgeführt, bevor ich vier war, an die kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber seitdem hatte ich jedes Jahr etwa zwei oder drei (größere und weniger große), und weil ich klein bin für mein Alter und die Medizin auch vor einige Rätsel stelle, die die Ärzte einfach nicht lösen können, war ich oft krank. Deshalb hatten meine Eltern entschieden, dass es besser wäre, wenn ich nicht zur Schule gehen würde. Jetzt bin ich aber viel kräftiger. Meine letzte Operation liegt schon acht Monate zurück, und wahrscheinlich wird auch in den nächsten paar Jahren keine weitere nötig sein.
    Mom unterrichtet mich zu Hause. Sie war früher Kinderbuchillustratorin. Sie zeichnet echt tolle Feen und Meerjungfrauen. Ihr Jungskram ist allerdings nicht ganz so cool. Sie hat mal versucht, einen Darth Vader für mich zu zeichnen, aber der sah am Ende eher aus wie ein komischer Roboter in Pilzform. Ich hab sie schon sehr lange nicht mehr zeichnen sehen. Ich glaube, sie hat einfach zu viel damit zu tun, sich um mich und Via zu kümmern.
    Ich kann nicht behaupten, dass ich schon immer zur Schule gehen wollte, denn das wäre nicht ganz wahr. Ich wäre gern zur Schule gegangen, aber nur wenn ich wie jedes andere Kind gewesen wäre, das zur Schule geht. Viele Freunde haben und nach der Schule zusammen abhängen und so.
    Ich habe jetzt ein paar echt gute Freunde. Christopher ist mein bester Freund, und dann kommen Zachary und Alex. Wir kennen uns schon, seit wir Babys waren. Und weil sie mich schon immer so kennen, wie ich bin, sind sie an mich gewöhnt. Als wir klein waren, haben wir ständig zusammen gespielt, aber dann ist Christopher nach Bridgeport in Connecticut gezogen. Das ist mehr als eine Stunde entfernt von North River Heights, der äußersten Spitze von Manhattan, wo ich lebe. Und Zachary und Alex gehen jetzt zur Schule. Es ist komisch: Obwohl Christopher der ist, der weggezogen ist, sehe ich ihn häufiger als Zachary und Alex. Die haben jetzt diese ganzen neuen Freunde. Wenn wir uns auf der Straße über den Weg laufen, sind sie aber immer noch nett zu
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