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Die Geliebte des Zeitreisenden

Die Geliebte des Zeitreisenden

Titel: Die Geliebte des Zeitreisenden
Autoren: Susan Kearney
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In naher Zukunft
     
    »Langsamer, Marisa«, warnte Lucan seine Zwillingsschwester.
    Sie steckten tief im Inneren der Höhle, die er im Schatten von Cadbury Castle im walisischen Hinterland entdeckt hatte. Das Licht seiner Helmlampe war auf einen Riss im zusammengepressten Lehm des Höhlenbodens gerichtet. »Tritt nicht darauf...«
    »Auf was?« Marisa sah zu ihm zurück, und in diesem Augenblick öffnete sich der Boden unter ihren Füßen. Sie fiel, riss die Arme hoch und versuchte sich noch an der Höhlenwand festzuhalten, doch die lockere Erde bröckelte unter ihren Fingerspitzen ab, und die Schwerkraft zerrte sie durch den Spalt in die Finsternis, die darunterlag.
    Lucan sprang vor und versuchte sie festzuhalten, aber
    die lose Erde gab schon unter ihm nach und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht, dass seine Finger Marisa nur um Haaresbreite verfehlten.
    »Marisa!« Das Platschen von Wasser übertönte seinen Schrei.
    Lucan hatte seine Schwester in die Ferien nach Cadbury Castle mitgenommen und ihr unbedingt die Höhle zeigen wollen - die jüngste Entdeckung auf seiner Suche nach dem Heiligen Gral. Obwohl der Gral von den meisten als reiner Mythos abgetan wurde, hatten ihn seine jahrelange Suche und Forschung davon überzeugt, dass dieses Gefäß tatsächlich existierte.
    Lucan spähte durch die Dunkelheit in den Abgrund, doch das Licht seines Helmes vermochte die Schwärze nicht zu durchdringen. Schlimmer noch - die Lehmwände des Loches fielen steil nach unten ab. Während er nach der Stabtaschenlampe griff, die sich in seiner Hosentasche befand, rief er: »Marisa? Verdammt, sag doch etwas!«
    Nichts als Schweigen.
    Lucan schloss die Augen, holte tief Luft und konzentrierte sich ganz darauf, seinen Geist mit dem ihren zu verbinden. Dieser telepathische Kontakt zwischen ihnen bestand schon seit ihrer Kindheit.
    Marisa. Wo bist du ?
    Im Wasser. Hilf mir. Mir ist so kalt.
    Lucans Herz raste, als er mit der Taschenlampe ins Dunkel leuchtete und ihren Kopf über dem rauschenden Wasser erkannte.
    »Lucan! Hier!« Marisa war klug genug, nicht gegen die mächtige Strömung anzuschwimmen, die sie mit sich reißen wollte. Also kämpfte sie sich vor zur Wand und hielt sich dort an einem Felsvorsprung fest.
    »Halt durch!«
    Sie hustete, spuckte und rief zurück: »Wenn ich loslasse, dann bestimmt nicht freiwillig! Beeil dich. Hier unten ist es eiskalt!«
    Lucan suchte nach dem Seil in seinem Rucksack und verfluchte sich dafür, dass er seine Schwester in die Eingeweide der Erde geführt hatte. Er hatte sie überredet, ihn zu begleiten, da er sie unbedingt von ihrer beständigen Trübsal hatte befreien wollen. Seit ihrer letzten Fehlgeburt musste sie immer wieder gegen ihre Depressionen ankämpfen. Er hatte gehofft, dieser Ausflug würde ihre Gedanken wenigstens für kurze Zeit von dem erlittenen Verlust ablenken. Allerdings hatte er nicht vorgehabt, Marisa dadurch zu zerstreuen, dass er sie in Lebensgefahr brachte und zu Tode erschreckte.
    Er löste das Seil, beugte sich über den Rand des Loches und konnte gerade noch erkennen, wie seine Schwester ihren Halt an dem Felsvorsprung verlor. Die Strömung zog sie unter Wasser. »Marisa!«
    Eine Sekunde später schoss ihre bleiche Hand aus dem Wasser heraus und ergriff einen Felsen, der sich aus der Wand vorwölbte. Marisa zog Kopf und Schultern über die Oberfläche, spuckte Wasser und presste zitternd die Worte hervor: »Ich wusste es... ich hätte doch... einen Cluburlaub buchen sollen.«
    Lucan schlang das Seil um den größten Felsbrocken innerhalb seiner Reichweite und warf das lose Ende in den engen Schacht. »Pack es, los! Wenn du das schaffst, buch ich den nächsten Flug nach Cancün.«
    Marisa streckte sich dem Seil entgegen. Und verfehlte es. Ihr Kopf geriet wieder unter Wasser. Erneut schwamm sie zur Oberfläche zurück, aber die Strömung hatte sie bereits so weit abgetrieben, dass sie das rettende Seil nicht mehr erreichen konnte.
    Lucan blieb nichts anderes übrig, als selbst in den dunklen Schacht zu springen. Er fiel etwa zwölf Fuß, bevor das eiskalte Wasser über seinem Kopf zusammenschlug und ihm die Brille vom Kopf riss. Sein Körper war wie betäubt, doch es gelang ihm, die wasserdichte Taschenlampe festzuhalten. Ihm ging die Luft aus, sein Blick verschwamm. Doch er zwang seine schockstarren Glieder, sich zu bewegen, und trat so lange, bis er die Oberfläche erreicht hatte. Dann hörte er Marisas Schrei. Er orientierte sich und schwamm in die Richtung,
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