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0683 - Monster aus dem Schlaf

0683 - Monster aus dem Schlaf

Titel: 0683 - Monster aus dem Schlaf
Autoren: Claudia Kern
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Angela Pearson hasste Kinder.
    Eigentlich hasste sie alle Menschen, aber die Kinder, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten, während sie selbst alt, einsam und verbittert in einer kleinen Sozialwohnung saß, waren die Schlimmsten.
    Den ganzen Tag über lehnte sie auf ein Kissen gestützt im Fenster und beobachtete, was unter ihr vorging.
    Zu lautes Spielen, Fluchen oder Prügeln wurde als Verfehlung notiert und den genervten Eltern sofort telefonisch mitgeteilt. Wenn die sie dann beschimpften, erstattete sie Anzeige wegen Beleidigung.
    Angela Pearson war nicht gerade beliebt. Hinter vorgehaltener Hand wünschte man sich, dass ihr allgemein bekanntes Herzleiden doch möglichst bald seine Arbeit erledigen mochte.
    Aber dazu kam es nicht. Denn in dieser lauen Spätsommernacht, als die meisten Bewohner des Hochhauses tief schliefen, wurde Angela Pearson von einem Geräusch geweckt.
    Einbrecher!, dachte sie entsetzt.
    Mit zitternden Fingern setzte sie sich ihre Brille auf und griff nach dem Telefon, das direkt neben dem Bett auf einem kleinen Nachttisch stand. In ihrer Aufregung warf sie ein Wasserglas direkt daneben um. Mit einem dumpfen Laut schlug es auf dem Teppich auf.
    Etwas knurrte.
    Angelas Herz setzte einen Schlag aus. Im hellen Mondlicht sah sie einen unförmigen Schatten, der sich langsam durch die offene Schlafzimmertür schob.
    »Oh mein Gott«, stöhnte sie leise. Ihre Finger schwebten unsicher über den Tasten des Telefons. Sie hatte den Polizeinotruf wohl schon öfter angerufen als die meisten Menschen, aber jetzt, im Moment der größten Panik, fiel ihr die Nummer einfach nicht ein. War es 888 oder 999, vielleicht auch 666? Sie wusste es einfach nicht.
    Ein zweiter Schatten glitt durch die Wand neben der Tür, genau durch das Bild von Angelas vor mehr als dreißig Jahren verstorbenem Ehemann. Für eine Sekunde glaubte sie, er sei von den Toten auferstanden, um sich an ihr zu rächen.
    »Peter?«, flüsterte sie, nahe daran, den Verstand zu verlieren.
    Der zweite Schatten schmatzte nur zur Antwort. Seine langen Krallen rissen den billigen Teppich stückweise auf.
    Angelas Herzschlag steigerte sich vom hektischen Pochen zu einem schmerzhaften Donnern in ihrer Brust. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Die Schatten verschwammen vor ihren Augen.
    Und dann waren sie über ihr.
    Angela streckte abwehrend die rechte Hand aus, während die linke im Reflex die Tasten des Telefons drückte.
    Eine schuppenbedeckte Klaue schlug ihr den Hörer aus der Hand. Einer der beiden Schatten glitt geschmeidig zu ihr auf das schmale Bett. Sein Gewicht drückte die Matratze tief in die quietschenden Federn.
    Der zweite blieb vor ihr stehen. Seine roten Augen leuchteten in der Dunkelheit. Angela wollte schreien, aber aus ihrem Mund drang nur ein tonloser Hauch.
    Es wurde still in dem kleinen Schlafzimmer. Die beiden Gestalten betrachteten die vor Angst erstarrte alte Frau, als würden sie auf etwas warten. Das leise Geräusch des Freizeichens, das- aus dem Hörer tönte, klang überlaut.
    Es knackte im Telefon.
    »Hallo?«, fragte eine verschlafene Frauenstimme. »Hallo? Wer ist denn da? Nigel, bist du das?«
    Einer der Schatten knurrte, sichtbar verärgert über die Störung.
    Die blechern klingende Stimme am anderen Ende schien ihn zu hören, denn sie sagte: »Wenn du das bist, Nigel, du perverses Schwein, dann stell dich schon mal auf eine Anzeige ein, du widerlicher Kotzbrocken von einem…«
    Der Telefonhörer zerplatzte unter dem Fuß einer Gestalt. Die Stimme verstummte.
    Plötzlich legten die beiden Gestalten den Kopf in den Nacken. Sie schienen einem Befehl zu lauschen, den nur sie hören konnten. Dann wandten sich ihre roten Augen wieder Angela zu.
    Sekunden später fielen sie über die alte Frau her.
    Endlich konnte Angela schreien. Es war fast wie eine Befreiung. So, als könne sie damit die unheimlichen Eindringlinge verjagen.
    Ihre hohe Stimme überschlug sich, drang durch die dünnen Wände in die Wohnungen der Nachbarn, die sich im Schlaf umdrehten oder unwirsch stöhnten.
    Sie schrie, bis ihr die Gestalten die Kehle zerfetzten.
    Dann kehrte die Stille zurück.
    Die-Schatten verschwanden.
    Zurück blieb nur die kaum noch zu erkennende Leiche der Angela Pearson.
    ***
    Die Gesichtszüge des Schläfers entspannten sich. Teilnahmslos beobachtete er, wie seine Geschöpfe im Traum die alte Frau ermordeten.
    Er ließ sie gewähren.
    Nach und nach verging der Hass. Schließlich kehrten die Geschöpfe zu ihm zurück. Der
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