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0683 - Monster aus dem Schlaf

0683 - Monster aus dem Schlaf

Titel: 0683 - Monster aus dem Schlaf
Autoren: Claudia Kern
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zurückzuziehen, seine Aura abzuschirmen und zu hoffen, dass die starke weiße Magie einfach an ihm vorbeizog.
    Sie tat es.
    Der Geist entspannte sich, obwohl er wusste, dass die Schwierigkeiten mit dem Verschwinden der Fremden nicht beendet waren. Im Gegenteil, sie hatten erst ihren Anfang genommen.
    In den letzten hundert Jahren hatte er viel Zeit gehabt, um sich in den Schwefelklüften herumzutreiben.
    Dort lauschte er den Geschichten der Vampire, Dämonen und Geister, die nur zu gern von ihren Triumphzügen in der Welt der Sterblichen berichteten. Vieles davon war gelogen, aber mit der Zeit lernte der Geist, die Wahrheit aus dem Gestrüpp der Lügen hervorzuziehen und von ihr zu lernen.
    Von den alten Dämonen erfuhr er von den Intrigen innerhalb der Hölle, von den Machtspielen und Kampagnen, die man gegeneinander führte. Die jüngeren lehrten ihn Strategien und Taktiken im Umgang mit den Gegnern der Hölle, die in den letzten zwanzig Jahren immer mehr Macht dazu gewonnen hatten.
    Ein Name war es, der in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchte und selbst die Mächtigsten in den sieben Kreisen der Hölle unruhig werden ließ.
    Zamorra.
    Der Geist verstand, welche Macht ein Name haben konnte. Er selbst konnte sich an eine Zeit erinnern, als ein Name Panik und Grauen unter den Menschen hervorrief. Auch daraus hatte er gelernt.
    Vielleicht war es dieses Wissen, dass ihn nach seiner ersten Schrecksekunde, als er sich einem der größten Gegner der Hölle gegenübersah, ganz ruhig werden ließ. Zurückgezogen in den Geist des Kindes ging er die Alternativen durch, die sich ihm boten.
    Ein direkter Angriff kam nicht infrage. Die Geschichten der Dämonen hatten ihm deutlich vor Augen geführt, dass jeder, der diesen Ansatz bisher versucht hatte, gescheitert war.
    Aber dem Geist war es ohnehin egal, ob Zamorra lebte oder starb; Hauptsache, er konnte den Dämonenjäger so lange von seinen Plänen ablenken, bis es für ihn zu spät war.
    Allerdings, auch das gestand er sich ein, würde Zamorra nicht einfach verschwinden, wenn er ihn ein wenig einschüchterte. Dafür hatte der zuviel Erfahrung im Umgang mit schwarzmagischen Wesen. Da waren schon drastischere Maßnahmen gefragt.
    Vor über einhundert Jahren hatte der Geist einen Menschen unterschätzt und einen hohen Preis dafür gezahlt. Das würde ihm nicht noch einmal passieren - nicht ihm, über den man damals nur hinter vorgehaltener Hand sprach, während Polizisten wie ungeschickte Kinder hilflos Und ahnungslos durch Whitechapel stolperten.
    Damals, als er den größten Ruhm seiner Existenz erntete.
    Und die Menschen ihm seinen Namen gaben.
    Jack.
    ***
    London, 31. August 1888
    Sir Henry Clifford St. John Robertson ging mieden gemessenen Schritten eines Gentleman die schmalen Gassen entlang. Sein schwarzer Gehstock mit dem silbernen Knauf schlug bei jedem Schritt metallisch auf dem unebenen Kopfsteinpflaster auf.
    Ab und zu drang das Geräusch einer vorbeifahrenden Kutsche zu ihm durch, das von den graubraunen Fassaden der Häuser vielfach gebrochen wurde und widerhallte. Es war unmöglich, den Ursprung des Geräuschs auszumachen.
    Nur wenige Meter vor St. John Robertson endete die Gasse in einer breiteren Straße, die notdürftig von einigen Gaslampen erhellt wurde.
    Es roch nach Pferdekot und Gin.
    Einige betrunkene Matrosen torkelten grölend an der Gasse vorbei, in der Sir Henry stehen geblieben war. Sie zogen zwei halb nackte Prostituierte mit sich, die in keinem besseren Zustand waren. Eine von ihnen ließ eine leere Rumflasche zu Boden fallen, die klirrend zerschellte.
    Sir Henry wandte sich angewidert ab. In der lauen Spätsommernacht schien es, als hätten die Bewohner von Whitechapel auch die letzten moralischen Hüllen buchstäblich fallen gelassen. Seit er vor mehr als zwei Stunden zu seinem Rundgang aufgebrochen war, hatte er Szenen beobachtet, die ihn an das Treiben wilder Tiere erinnerten. Kaum zu glauben, dass es Menschen waren, die sich zu einem solchen Verhalten hinreißen ließen.
    Schlimmer noch, dass selbst Angehörige seiner eigenen Klasse sich nur zu oft ins East End stahlen, um dort -wie es so schön hieß - etwas zu bekommen, was sie zu Hause nicht bekamen. Nicht selten gehörte außer fleischlichen Freuden dazu auch die Syphilis.
    Sir Henry hatte kein Mitleid mit ihnen, ebenso wie er für die Bewohner des East Ends nur Verachtung spürte. Nicht ihre Armut war es, die ihn abstieß, davon hatte er in Indien mehr als genug gesehen.
    Es war
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