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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman
Autoren: Sybille Conrad
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    W ie eine Schatzkammer glänzte die Werkstatt im Lichte der vier Öllampen. Ein Stück Metall spiegelte einen Lichtfleck auf die rußigen Mauern. Aurelia mochte die seltsamen Gerätschaften und Gerüche der Laugen, zu gern verbrachte sie ihre Zeit zwischen den Schmelztiegeln und Steinbechern in der Werkstatt ihres Vaters. Lieber jedenfalls als drüben am Herd. Schon als kleines Mädchen hatte sie staunend zugesehen, wenn Vater Erden und Pulver auf der Glut verflüssigte.
    Schnell tauschte Aurelia ihre Schürze gegen den Überwurf, der am Haken neben der Tür für sie bereithing. Sie freute sich, dass sie die Küchenarbeit jetzt endlich sein lassen konnte, doch sorgte sie sich auch, weil Vater sie in der Werkstatt immer häufiger brauchte, so viel sie auch dabei lernte.
    Ein feiner Duft von Honig, Ingwer und Minze hing in der Luft. Sie bemerkte ihn, kaum wahrnehmbar zwar, im Geruch der vielen Salzlaugen der Metallurgie. »Du hast gerufen?«
    Im grauen Mantel stand Vater über einen Steintrog auf dem Tisch gebeugt. Er wandte sich nicht einmal zu ihr um. »Mein Elixier läuft über.«
    Aurelia erschrak. Schon wieder hatte er sein Elixier brauen müssen! Unter den Fenstern war der Athanor, der kleine Herd der Alchemisten, aufgemauert worden. Über den zum Fünfeck gefügten Ziegeln ruhte eine große Schnabelkugel in einem Metallgestell. Darin sprudelte der Sud heftig auf.
    »Es gurgelt schon, beeile dich«, rief Vater ihr über den Rücken zu.

    »Keine Sorge, ich stelle gerade ein Fläschchen unter.« Aurelia fing die träge Flüssigkeit auf. Kein Zweifel, wenn es so rotgolden schimmerte, war das Elixier fertig. »Es ist fast so dick wie Öl«, sagte sie.
    Sie sah dem trägen Rest beim Fallen zu und musste dabei ein wenig lächeln. Manch einen, der bei ihnen kaufte, plagten sicher Zweifel, ob er beim alten Meliorus und seiner Tochter nicht in eine Teufelsküche geraten sei.
    »Gib mir fünf Tropfen. Gleich!«
    Aurelia erschrak über Vaters heiseren Ton. Hastig griff sie nach dem venezianischen Trinkglas und der Karaffe voll Brunnenwasser. »Erschöpft dich das Kleine Werk so sehr?«
    »Nein, nein«, flüsterte Vater und schloss die Augen.
    Selbst im weichen Licht der vier Öllampen an den Wänden sah sie, wie tief eingesunken seine Wangen waren.
    »Die Wandlung fällt mir nicht schwerer als sonst.« Er stützte sich mit der einen Hand schwer auf die Tischkante, mit der anderen fasste er den Kragen seines grauen Mantels vor der Brust.
    Noch immer schenkten ihm die Frauen der Ratsherren glühende Blicke, wenn er sie mit seiner gespielten Treuherzigkeit umgarnte, doch Aurelia ließ sich nicht täuschen. Vaters Bart war im letzten Jahr auf einmal schütter und grau geworden, obwohl er noch keine fünfzig Lenze zählte. Da konnte er noch so viel schwarzes Fett hineinreiben, damit der Bart lang und spitz vor seinem Bauch zulief. Er färbte auch sein Haar, machte es glänzend wie bei einem Mann im besten Alter. Er log, sie wusste es.
    Sie wandte sich vom ausglühenden Athanor ab. Am liebsten hätte sie Vaters schmalen Kopf zwischen ihre Hände genommen und ihn geherzt. Stattdessen träufelte sie schnell fünf Tropfen Elixier in ein Wasserglas. Langsam vergingen sie zu farbigen Schlieren, dann waren sie im Wasser nicht mehr zu
sehen. Ihr zuliebe log der Vater, wie er auch ihr zuliebe überhaupt nur die Wandlung der Erden in Silber gewagt hatte. Ob das Steinmehl, das sie in Mainz hatten beschaffen können, überhaupt etwas taugte, war zweifelhaft. Aber Vaters Künste waren ihr letzter Trumpf im Kampf mit dem Zunftmeister um dessen Gesellen Romuald.
    »Was starrst du so in das Trinkglas, mein Kind?«
    Aurelia reichte es ihm mit einem verlegenen Lächeln. »Das Elixier ist rotgolden wie mein Haar. Hast du es deshalb nach mir benannt?« Das hatte sie schon lange fragen wollen.
    Ein seltsamer Zug erfasste Vaters dünne Lippen, die unter dem schwarzen Spitzbart fast verschwanden. »Deinen Namen trägt das Elixier, weil es mich so stärkt wie du es tust.«
    »Ich lese dir nur vor und schreibe deine Briefe«, wehrte sie ab.Vater konnte kleine Schrift nur noch mit großer Mühe entziffern. Und den Haushalt für sie zwei zu führen, die Aufsicht über die Magd – was war das schon?
    Wie so oft in letzter Zeit überkam Vater plötzlich eine Schwäche. Unsicher setzte er sich auf den Schemel neben die Steinwannen voller Säure. Sie wusste nicht, woran er litt, sonst hätte sie in den Schriften nach einem Heilmittel forschen
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