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Geschichten aus der Müllerstraße

Geschichten aus der Müllerstraße

Titel: Geschichten aus der Müllerstraße
Autoren: be.bra Verlag , Hinark Husen , Robert Rescue , Frank Sorge , Volker Surmann , Heiko Werning
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Wen?
    HERR HESSLEIN : Na, Conny!
    ICH : Wer ist denn Conny?
    HERR HESSLEIN : Kieken Se ma raus. Rüber. Auf ’n Leo! Seh’n Se den Mann mit die Brüste und die Lederweste? Mit der tätowierten Gesichtshälfte und dem Sternburg inna Hand? Dit is Conny! Conny is der Letzte, der hier was eingezahlt hat. Und jetzt schau’n Se ma, was aus dem jeworden is.
    FRAU BEFELD : Verstecken Se Ihr Geld doch lieba unter die Matratze. Wenn Se keen Bettnässer mehr sind, ham Se da wenigstens Kapitalschutz.
    ICH : Sie müssen mir doch irgendeine Form von Kapitalzuwachs anbieten können. Tagesgeld, Sparbuch, Anleihen, Festgeld, irgendwas.
    HERR HESSLEIN : Kenn’ Se dit Nähmaschinencenter anna Ecke? Gleich gegenüber is ’ne Türkenbank. Die sind noch nich inner EU. Den geht’s noch besser als uns. Probier’n Se da ma Ihr Glück.
    ICH : Ich kann doch nicht mal Türkisch.
    FRAU BEFELD : Wat soll er denn dann bei die Türken?
    HERR HESSLEIN : Dann soll er halt in die Zahnklinik nebenan gehen und sich ein paar Goldzähne machen lassen. Dann hat er wenigstens was für später. Für die Kinder. Zum Vererben.
    ICH : Ich will keine Goldzähne. Ich will auch zu keiner türkischen Bank. Hör’n Sie. Ich bin extra von der Deutschen Bank zur Sparkasse gewechselt. Ich will mein Geld anlegen!
    HERR HESSLEIN : Jetzt machen Sie doch keinen Aufstand. Wie viel will er denn?
    FRAU BEFELD : Was?
    HERR HESSLEIN : Na, einzahl’n!
    FRAU BEFELD : Wie viel woll’n Se denn einzahl’n?
    ICH : Hundert.
    FRAU BEFELD : Hundert was?
    ICH : Euro!
    FRAU BEFELD : Hundert Euro will er einzahl’n!
    HERR HESSLEIN : Hundert Euro!? Was ham Se denn vor? Woll’n Se ’ne Bank übernehmen?
    ICH : Bitte?
    HERR HESSLEIN : Ich mach Ihn ’n Vorschlag. Sie lassen das mit der Einzahlung.
    ICH : Nein! Ich will jetzt was mit Zinssatz. Irgendwas! Ich kauf auch Aktien.
    HERR HESSLEIN : Jetzt hör’n Se doch ma zu! Das brauch in der Zentrale doch niemand zu wissen, dass hier bei uns jemand versucht hat, Geld einzuzahlen. Wir regeln das unter uns! Sie lassen das mit der Einzahlung einfach und wir geben Ihnen dafür eine pauschale Zinsauszahlung.
    ICH : Eine pauschale Zinsauszahlung!?
    HERR HESSLEIN : Ja. Sagen wir fünfzig Euro. Bar auf die Hand. Aus reiner Kulanz! Bleibt aber unter uns! Und nur, wenn Sie mir versprechen, dass Sie nie wieder zu uns in die Filiale kommen.
    FRAU BEFELD : Na, dit Glück will ick och ma ham.
    ICH : Gut. Abgemacht!
    HERR HESSLEIN : Frau Befeld, zahl’n Sie dem jungen Mann bitte fünfzig Euro aus und dann raus hier mit dem Kapitalistenschwein.
    FRAU BEFELD : Da ham Se ja richtig Glück jehabt, junger Mann. Sonst ist der Herr Heßlein nich so ’ne kulante Type. Schon jar nich im Umjang mit die Kundschaft. Hier ham Se Ihre fünfzig Euro.
    ICH : Danke.
    FRAU BEFELD : Eene Frage hätt ick da aber noch. Kann ick?
    ICH : Ob Sie können weiß ich nicht, aber Sie könn’s gerne mal versuchen.
    FRAU BEFELD : So unter uns. Sie, mit Ihrem Hunni. Bei wie vielen Banken sin’ Se heute schon jewesen?
    ICH : Siebzehn oder achtzehn.
    FRAU BEFELD : Und wo geh’n Se jetzt hin?
    ICH : Na, ich probier’s mal bei den Türken.
    FRAU BEFELD : Hab ick’s doch jesacht: ’N ganz kleveret Kerlchen.
    (Ende der Szene.)

Volker Surmann
Szene auf der Müllerstraße
    »Kommst du wohl zurück, Bitch!«
    Dass die Umgangsformen im Berliner Wedding eher roh sind, war mir bewusst, doch so grob war mir der Ton auf offener Straße bislang nicht vorgekommen. Ich erschrak und dachte einen kurzen Moment wirklich, dass die aggressive Männerstimme mich meinen könnte.
    »Ey, Bitch! Hab ich dir erlaubt, da hinzugehen?«
    Ich schaute mich um und erblickte erwartungsgemäß einen kurzhaarigen Picaldi-Jeans-Proleten mit Goldkettchen, jedoch nicht die dazugehörige Bitch. Es brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass er mit dem Mops zu seinen Füßen sprach.

Ku’damm des Nordens

Robert Rescue
Wie man Auswärtigen den Wedding erklärt: Der Kiosk im City Point Center
    Als Ernst Wölbitsch seinen Kiosk im City Point Center auf der Müllerstraße eröffnete, fiel ihm auf, dass etwas fehlte: »Ich stand da hinter meinem Tresen, besah mir die Auslagen und dachte dann, irgendetwas fehlt hier. Etwas, das meinen Kiosk zu einer ersten Adresse macht. Ich hatte zwar Tageszeitungen und Magazine aller Art, dazu Rauchwaren und sinnlose Rauchergimmicks, aber es fehlte das Besondere, das meinen Kiosk von all den anderen Kiosken im Wedding unterscheiden würde. Nach einer Weile fiel es mir dann ein
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