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Geschichten aus der Müllerstraße

Geschichten aus der Müllerstraße

Titel: Geschichten aus der Müllerstraße
Autoren: be.bra Verlag , Hinark Husen , Robert Rescue , Frank Sorge , Volker Surmann , Heiko Werning
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servieren. Mindestens aber sehen Sie sich jedes Duplo einzeln an und versuchen durch die minimal transparente Folie den eingeschlossenen Spieler zu erkennen. Oder? Bei Manuel Neuer ist das womöglich noch einfach, weil die Torwarte ja farblich herausstechen.«
    »Entschuldigung«, versuche ich zu unterbrechen, »könnten Sie den ersten Satz noch einmal wiederholen, ich verliere langsam den Überblick.«
    »Kleinen Moment, junger Mann, Sie wollen ja eh nicht arbeiten, dann können Sie auch zuhören. Nehmen wir aber einmal an, Ihnen fehlt noch Mario Gomez. Haben Sie schon mal versucht, Mario Gomez im geschlossenen Zustand im Duplo zu erkennen? Bestimmt nicht, aber
ich
habe es versucht und bin kläglich gescheitert.«
    »Wenn sie Duplos schmeißen würden, bräuchten Sie ja auch keine Angst haben.«
    »Ich bin noch nicht fertig, hallo, hier jetzt nicht weitergehen. Nächste Frage: Kleben Sie einzelne Treueherzen aus Spaß an Laternenpfähle, wenn Sie fast alle zusammen haben für das erste Geschenk?«
    »Laternenpfähle?«
    »Herzen.«
    »Ich sammle gar keine Treueherzen.«
    »Das klingt aber ungehörig, nein, junger Mann, meine These ist in diesem Fall, dass hier keine Flasche landen wird, weil alle entweder auf dem Weg zur sechsten leeren Flasche sind oder gerade eine volle Flasche getauscht haben und sich jetzt von der harten Pfandarbeit erschöpft zu einer Pause auf der Bank niederlassen. Die aber wiederum, das haben Sie selbst gesagt, werden die vollen Flaschen nicht schmeißen, also fühle ich mich hier sicher.«
    »Okay«, gebe ich zu, »ein volles Bier schmeißt man nur im Ernstfall.«
    »Und was wäre das?«
    »Ein Brand vielleicht, oder ein Krieg.«
    »Genau, und beides ist hier nicht im eigentlichen Sinne zu finden. Wenn ich hier Arbeit anbiete, dann interessiert das die Jungs nicht die Bohne. Ich könnte auch Bohnen anbieten, das würde die auch nicht die Bohne interessieren.«
    »Ich finde Bohnen ganz spannend«, sage ich, »wussten Sie, dass Pythagoras davon ausging, dass neben Menschen und Tieren auch Bohnen eine Seele besitzen?«
    »Interessiert mich nicht die Bohne, aber wissen Sie, was mich interessiert?«
    »Nein, aber Sie werden es mir sicher erzählen.«
    »Warum sich nur die mit Arbeit beschweren, dass ich Arbeit anbiete, und nicht die ohne.«
    »Haben sich denn schon mehrere beschwert?«
    »Nein, Sie sind der Erste, aber was arbeiten Sie?«
    »Ich bin selbstständig.«
    »Das meine ich, genau das, das kann auch nur einem Selbstständigen einfallen, sich über Arbeit anderer zu beschweren. Pah, gehen Sie bitte weiter, das ist ja nicht auszuhalten, traurig ist das ja. Wäre Ihr Pythagoras hier bei uns, würde er vermutlich jetzt denken, dass doch nur Bohnen und Tiere eine Seele haben, merken Sie sich das. Sie haben mich sehr enttäuscht, so ein netter junger Mann, denkt man da, dem bietet man mal einen Job an, damit er sich neue Klamotten leisten kann und man vielleicht dann mal gemeinsam was arbeiten kann, auf dem Straßenfest. Und mehr wäre wohl auch drin gewesen, bei der Arbeit immer mal eine schnelle Nummer im Lieferwagen, später Kinder und das gemeinsame Erbe, eins meiner Familienanwesen am Atlantik. Finanziert von einem Straßenfest-Imperium, bei dem längst andere
schubbern
müssen, und man selbst hängt mit dem Günstling am Privatstrand rum und steckt sich gegenseitig aus Langeweile Geldscheine in den Ausschnitt.«
    Ich mache gar nichts, das aber ganz schön heftig.
    »Na ja«, seufzt sie, »schade, aber so ist das nun mal. Die einen haben schon, was sie brauchen, und die anderen wussten nie, was sie hätten bekommen können. Nehmen Sie wenigstens den Zettel, den ich vor lauter Aufregung schon zu sehr verknittert habe, zum Mülleimer mit. Ich kann ihn sowieso keinem anderen mehr anbieten, werfen Sie ihn gleich weg, da hinten am Rand des Platzes, da wollten Sie doch eh gerade hin.«
    Seit ein paar Monaten jetzt arbeite ich durch ihre Vermittlung auf allen möglichen Straßenfesten und Plätzen. Einen Job konnte ich plötzlich doch ganz gut gebrauchen. Nur ihr bin ich leider noch nicht wieder begegnet. Auch meinen Chef habe ich nach ihr gefragt, aber er behauptete, er könne sich nicht an sie erinnern.
    »Wir brauchen ja keine jungen Frauen, wir haben ja jetzt Sie«, hat er gesagt und mich eilig aus dem Büro gebeten. Ob es was mit den Luftmatratzen, Sonnenschirmen und Handtüchern zu tun hatte, die er notdürftig hinter seinem Schreibtisch versteckte, kann ich nicht sagen. Gesehen habe ich
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