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Geschichten aus der Müllerstraße

Geschichten aus der Müllerstraße

Titel: Geschichten aus der Müllerstraße
Autoren: be.bra Verlag , Hinark Husen , Robert Rescue , Frank Sorge , Volker Surmann , Heiko Werning
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für ihn zu laufen. Und auch das Geldstück scheint verwirrt zu sein, es will so gar nicht klimpern, das Geräusch ist eher ein
Blubb
. Immerhin schwappt der Kaffee nicht über, er war wohl schon zur Hälfte ausgetrunken.
    Ich sehe zu, dass ich ganz schnell in den Laden komme, ich will den Mann nicht zu einem »Dankeschön« nötigen. Ich habe ja auch nicht »Bitte« gesagt, oder besser noch »Entschuldigung«, was wohl angebrachter gewesen wäre. Immerhin habe ich noch den Tatzenaufnäher auf dem Steppjackenärmel erkannt. Ein Penner mit Jack-Wolfskin-Jacke und Kaffee im Spendenbecher, wie unprofessionell ist das denn? Ich höre noch, wie er mir »EY DU PENNER!« hinterherschreit, habe aber keine große Lust, diese Verwechslung wirklich aufzuklären. Sollte ihm der Kaffee nicht mehr schmecken, kann er sich unten bei
Kaiser’s
für die fünfzig Cent einen neuen kaufen, so viel ist immerhin sicher.
    Ich habe erstaunlicherweise immer noch gute Laune, obwohl sich echte Freude über meine gute Tat nicht einstellen will. Im Supermarkt benötige ich nur Kleinigkeiten, und da es bei
Kaiser’s
in der Müllerstraße nie voll ist, bin ich schon nach wenigen Minuten an der Kasse vorbei und gehe auf den Backshop zu. Möglicherweise ist der Kerl noch oben und ich beschließe, einen Kaffee zu ordern. Ich bin fast dran, zwei Kunden sind vor mir, als die Jack-Wolfskin-Jacke am Tresen vorbei in den Hinterraum läuft. Sehr merkwürdig, ob er sich vielleicht ein paar Brötchen vom Vortag herausgeben lässt? Als ich an der Reihe bin, kommt der Obdachlose heraus, jetzt aber hat er einen weißen Kittel an, mit dem Emblem der Backstube. Immerhin ein Obdachloser
mit Job
, soll es ja auch geben. Ich bestelle meinen Kaffee bei der Kollegin, und tja, was soll ich sagen, so recht traue ich mich nicht mehr, ihm den Kaffeebecher zu geben, hatte ja selber auch noch keinen.
    Wahrscheinlich hat er das kleine Missgeschick eh schon wieder vergessen, ich nehme also den Becher und mache mich auf den Weg zur Rolltreppe, natürlich nicht ohne beiden Verkäufern noch einen schönen Tag zu wünschen. Kurz vor der Treppe werde ich von hinten angetippt. Natürlich ist es Jack Wolfskin, aus der Nähe betrachtet sieht er auch gar nicht mehr so alt und obdachlos aus.
    »Sie haben Ihr Wechselgeld vergessen«, sagt er freundlich und ich weiß, dass ich meine Hand jetzt nicht auszustrecken brauche. Es klimpert wieder nicht, es blubbt nur ein bisschen.
    »Dankeschön« höre ich mich sagen und kann ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken.
    »Kein Problem«, höre ich ihn sagen, »und schönen Tag noch.«
    Ich nippe am Kaffee, er schmeckt völlig ok. Draußen am Fahrradständer sitzt ein Punkpärchen neben meinem Rad und quatscht mich an: »Ey, hast du mal ein bisschen Kleingeld?«
    »Ja«, sage ich, und stelle ihnen den Kaffee auf den Boden, »aber bitte langsam trinken und nichts verschlucken.«
    Sie schauen mich nur blöde an. Und die gute Laune hielt an diesem Tag noch erstaunlich lange.

Robert Rescue
Im Bürgeramt Wedding
    Ich sitze im Wartesaal des Bürgeramtes Wedding und starre auf den Zettel mit der Wartenummer. Dort steht die Zahl 380. Auf der Anzeigetafel werden die Nummern 115, 116 und 117 aufgerufen. Ich versuche mir auszumalen, wie lange ich hier sitzen muss, und komme auf drei Jahre. Wieder einmal ärgere ich mich über meine Naivität im Umgang mit Behörden. Als ich vor Jahren hierher gezogen bin, habe ich mich eines Mittags aufgemacht, um mich umzumelden, und auf dem Weg zum Bürgeramt gedacht, dass das sofort erledigt sein wird. Auch heute habe ich mit dem gleichen Gedanken das Haus verlassen. Damals musste ich fünf Stunden auf meinen Aufruf warten und das gleiche Schicksal droht mir wohl auch heute. Während des Wartens kann man viele Dinge so nebenher erledigen. Ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen oder ein Haus bauen zum Beispiel. Wenn man danach wieder zum Bürgeramt geht, hat man vielleicht Glück und wird gleich aufgerufen oder muss nur noch drei Stunden warten. Ich bin hier, um ein polizeiliches Führungszeugnis zu beantragen. Der Kulturverein, bei dem ich ehrenamtlich mitarbeite, hat mich dazu aufgefordert, nachdem mir beim Plenum das Misstrauen ausgesprochen wurde.
    Ich gehe nach draußen, um eine zu rauchen. Ein Mann kommt auf mich zu und will mir eine Zigarette abkaufen. Ich drehe ihm eine und will kein Geld. Unten an der Treppe stehen seine Kumpels. Alle haben Musikinstrumente in der Hand. »Hey Mann«, sagt der Typ vor mir. »Wir
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