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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon
Autoren: Daniel G Keohane
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Prolog
    Konstantinopel, 1204 a. D.
    Bischof Georgios Palaiologos stolperte über einen vorstehenden Stein, als er den von Fackeln erhellten Korridor entlangrannte. Der oberste Riemen seiner Sandale löste sich, doch er hatte keine Zeit, ihn zu schließen. Stattdessen kniff er die Zehen des rechten Fußes zusammen und lief weiter. Selbst in diesem Abschnitt konnte er den Lärm der römischen Kreuzritter hören, die im Hauptgeschoss durch die Räume und Säle wüteten. Die Kirche der Zwölf Apostel, Gottes allerheiligste und majestätischste byzantinische Kathedrale, wurde von jenen überrannt, die ihrer tiergleichen Gewalt in seinem Namen frönten.
    Der Bote, ein Knabe von kaum sieben Jahren, hatte ihm die Warnung mit blankem Grauen im kleinen Gesicht überbracht. Die Mitteilung stammte von Georgios Bischofskollegen aus der Hagia Sophia. Sie kommen; die Römer kommen. Ihr müsst mit so vielen Reliquien fliehen, wie Ihr tragen könnt. Niemand wird verschont. Niemand.
    Dann fielen die Züge des Knaben in sich zusammen. Bevor Georgios die Hand ausstrecken konnte, um ihn zu trösten, war der Junge durch eine Seitentür hinausgelaufen, um nach Hause zurückzukehren. Der Bischof murmelte ein weiteres Gebet für die Sicherheit des Knaben, während er eine hinter einem Wandteppich am Ende der Passage verborgene Tür öffnete. Er tat es langsam, da er fürchtete, vielleicht die Vorbereitung der Ritter unterschätzt zu haben, die nur fünfzehn Minuten nach dem Aufbrechen des Botenjungen die Stufen der Kirche heraufgestürmt waren. Sie würden eine Weile brauchen, um den Weg hinab in diese Gefilde zu finden, dennoch wahrte Georgios Verstohlenheit, als er die gewundene Treppenflucht entlanghetzte und die große, kreuzförmige Gruft unter der Kirche betrat. Sie erwies sich als verwaist. Vorerst.
    Ihm blieb keine Zeit, über seinen Plan nachzudenken. Dennoch sank der groß gewachsene Mann auf die Knie, als er die zwölf in der Kammer aufgestellten Särge betrachtete, die vor Jahrhunderten von Konstantin dafür bestimmt worden waren, die heiligsten Reliquien der ursprünglichen zwölf Apostel Christi zu verwahren.
    »Lieber Gott«, flüsterte er mit vor der Brust gefalteten Händen. »Bitte beschütze deine Kirche. Lass diese Mörder deinen Tempel nicht zerstören. Leite meine Schritte.« Am liebsten wäre er geblieben, um sich flach auf den kalten Boden auszustrecken und Gott anzuflehen, schützend seine Hand über die perfekten und unersetzlichen Gegenstände in den Sarkophagen zu halten. Die Geräusche wurden plötzlich lauter. Sie hatten den Eingang zur Basilika entdeckt. Er musste sofort los, denn verglichen mit dem, wonach er suchte, schienen selbst diese kostbaren Objekte unbedeutend.
    Georgios war der von Gott auserkorene Hüter. Er durfte nicht zaudern. Unter den einfallenden Horden befanden sich einige, vielleicht sogar viele Männer mit finsteren Absichten, die Papst Innozenz III. ebenso wenig treu ergeben waren wie die benachbarten Türken. Diese verborgenen Plünderer, die Diener des Fürsten der Dunkelheit, verkörperten seine wahren Gegner. Er rappelte sich auf die Beine, kniff die Zehen des Fußes in der kaputten Sandale zusammen und rannte zur gegenüberliegenden Ecke der Kammer. Dabei passierte er die Geißelungssäule, jene Säule, an die Jesus Christus gefesselt und an der er ausgepeitscht worden war. Der Bischof schloss ein Auge und versuchte, sich einzureden, es sei lediglich eine gewöhnliche Stützsäule.
    Sonst nichts.
    Lieber Gott, warum muss dies geschehen?
    Abgesehen von drei Vertiefungen, in die er linkisch die Finger der rechten Hand grub, schloss die Tür bündig mit der Wand ab. Georgios zog. Die Tür gab nach, wenngleich sie sich seinen Bemühungen zu widersetzen versuchte. Der Bischof lehnte sich zurück, brachte sein ganzes Gewicht zum Einsatz, und die Tür schwang auf. Als er den Griff löste, begann der schwere Stein, sich wieder zu schließen. Georgios streckte die Hand aus und packte die nächstbeste der Fackeln, die den Raum säumten. Sie brannten immer, wofür die Nonnen seines eigenen Ordens sorgten. Diese armen Frauen ... Nein, er durfte ausschließlich an seine Mission denken. Die Tür erfasste ihn, als er hindurchtrat, und schleuderte ihn gegen die Wand. Funken der Fackel sprühten ihm ins Gesicht. Die rechte Sandale löste sich gänzlich von seinem Fuß. Er hielt nicht inne, um sie zu suchen, sondern schüttelte auch die andere ab und lief barfuß den Gang entlang. Er hielt die Fackel
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