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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon
Autoren: Daniel G Keohane
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unterschied. Im Gegensatz zum Süden war die christliche Bevölkerung in New England, besonders in Massachusetts, vorwiegend katholisch und kongregationalistisch. Viele der Freunde seiner Kindheit besuchten Saint Malachy im Stadtzentrum, sofern sie überhaupt zur Kirche gingen.
    Das würde sich vielleicht als Vorteil erweisen. Durch die Leitung einer kleinen Gemeinde in einer verschlafenen Kleinstadt wie Hillcrest konnte er sich die ersten eigenen Sporen etwas gemächlicher verdienen. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass in seiner Heimat nie etwas Aufregendes geschah.
    Gott hatte einen Plan für ihn, der vorsah, dass er nach Hause zurückkehrte. Nathan schloss die Augen und spürte, wie der Schlaf wieder die Fühler nach ihm ausstreckte. Müßig fragte er sich, ob Elizabeth O‘Brien noch in der Ortschaft lebte. Selbst wenn, bezweifelte er, dass sie mit ihm reden würde, Pastor hin, Pastor her.
    Er schlief tatsächlich wieder ein, diesmal ohne zu träumen. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern, geträumt zu haben, als der Bus im Licht des Morgens vor dem Busbahnhof von Worcester anhielt.

Kapitel Zwei
    Die reformierte Baptistenkirche in Hillcrest war klein, dennoch zählten ihre Ränge einhundertundsechzehn Mitglieder. Die meisten lebten vor Ort oder in einer der Nachbargemeinden. Die Pfarre war ein einstöckiges Gebäude an der Dreyfus Road, vormals Sitz des Gründers der längst geschlossenen Dreyfus Shoe Company in Millbury und seiner erweiterten Sippe. Nach der ruhmreichen Blüte des Klans Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war ein Großteil des weitläufigen Anwesens der Gemeinde vermacht worden. Das große, quadratische Haus war bis Mitte der 1960er im Besitz des einen oder anderen Familienmitglieds geblieben, bis es zu verwahrlost wurde und jahrelang leer stand. In den 1970ern hatten Ralph Hayden und seine Frau Jean erkannt, dass die Räumlichkeiten ihrer kleinen Pfarre in Worcester ihre Grenzen erreicht hatten. Mit der Unterstützung einiger Gemeindemitglieder erwarb man das betagte Anwesen in Hillcrest von einer dankbaren Anwaltskanzlei, die als Treuhänder für die Dreyfus-Liegenschaft fungierte.
    Zwei Drittel des Erdgeschosses und ersten Stockwerks wurden nach und nach zur eigentlichen Kirche umgebaut, die restlichen Bereiche abgetrennt, um Pastor Hayden und seiner Frau als neue Heimat zu dienen. Die Umbauarbeiten hatten fast anderthalb Jahre gedauert, eine Zeit, in der etliche Tombolas und andere Geldbeschaffungsveranstaltungen von der Kirchengemeinde in Worcester veranstaltet wurden. Letztlich brachte man das Geld auf, die Hypothek wurde genehmigt, und man begann mit der langwierigen, vorsichtigen Renovierung. Hayden, der zehn Jahre davor die Weihe empfangen, aber bis dahin noch nie eine eigene Pfarre erhalten hatte, konnte endlich seinen Fabrikjob bei der Norton Company aufgeben, wo er zweiundzwanzig Jahre lang gearbeitet hatte, und sich mit Ende fünfzig einen Traum erfüllen.
    Nathan war erst drei Jahre alt gewesen, als der erste Gottesdienst gefeiert wurde. Seither war es die einzige Kirche gewesen, die er gekannt hatte, bis er zum College aufbrach. Jedes Mal, wenn er in seinen Heimatort zurückkehrte, vermittelte sie ihm eine Verbundenheit, die nur seinem Elternhaus nachstand.
    Das Taxi bog in die Dreyfus Road und hielt am Randstein. Nathan stieg aus, streckte sich und wünschte, er hätte mehr geschlafen. Er holte sein Gepäck aus dem Kofferraum, schloss ihn und bezahlte den Fahrer. Ein alter, leicht verrosteter, viertüriger Chevrolet stand auf dem einzigen Parkplatz, den ein kleines Schild mit der Aufschrift »Pastor Hayden« kennzeichnete. Der Mann, dessen Name noch sowohl auf dem Parkplatzschild als auch auf der Ankündigung der wöchentlichen Predigt aufschien, stand leicht gebückt am Eingang und schaute herüber. Nathan winkte ihm zu.
    Hayden hatte schon immer alt ausgesehen. Er war hager und hatte schütteres, weißes Haar. Nathan versuchte, so unbekümmert wie möglich zu wirken, als er auf die Tür zuging. Zu Begrüßung ergriff er behutsam Pastor Haydens Hand. Äußerlich mochte der Geistliche gebrechlich erscheinen, doch sein Blick war ewig jung. Haydens tiefblaue Augen musterten Nathan von Kopf bis Fuß, während er den Händedruck schwach erwiderte. Er sucht nach Makeln , dachte Nathan etwas verunsichert.
    Nachdem sein Gegenüber seine Hand losgelassen hatte, deutete er damit auf den Chevy und meinte: »Wie ich sehe, fahren Sie immer noch diesen
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