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Götter aus Licht und Dunkelheit

Götter aus Licht und Dunkelheit

Titel: Götter aus Licht und Dunkelheit
Autoren: Roger Zelazny
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VORSP I EL IM HAUS DER TOTEN
     
    Der Mann geht durch seinen Tausendjährigen Abend im H a us der Toten. Wenn m an den gewaltigen Raum überblicken könnte, durch den er geht, so könnte m a n nichts erkennen. Es ist zu dunkel, als daß Augen etwas erkennen könnten.
    Für die s e d u nkle Zeit werden wir ihn einfach als »den Mann«
    bezeich n en.
    Dafür gibt es zwei Gründe: Zum ersten entspricht er der allge m einen und allge m ein ane r kannten Beschreibung eines un m odifizierten, m ännlichen m enschlichen Modellwesens - aufrecht gehend, m it e ntgegengesetzten Daumen und anderen typisc h en Merk m alen seiner Art. Zweite n s, weil ihm sein Name genommen worden ist.
    Es ist nicht nötig zu diesem Zeitpunkt deutlicher zu sein.
    In sei n er rechten Ha n d hält der Mann den Stab seines Meisters, der ihn durch die Dunkel h eit leitet. Er zieht ihn hier entlang und schiebt ihn dort entla n g. Er brennt in seiner H and, seinen Fin g ern, sei n en entgegengesetzten Dau m en, falls sein Fuß auch nur einen S chritt von dem ihm bestim m t en Weg abweicht.
    Als der Mann einen bestim m t en Ort in der Dunkelheit erreicht, steigt er sieben Stufen zu einer s t ei n ernen P l attform e m por und klopft drei m al m it seinem Stab darauf.
    Dann gibt es Licht, m att und or a nge und sich bis in die Ecken drängend. E s zei g t die W i nkel des gewalti g en leeren Raumes.
    Er dreht den Stab um und schraubt ihn in eine Fassung im Stein.
    Hätte m an Ohren in diesem Raum, dann würde m an ein Geräusch hören, als ob Insekten in der Nähe kreisen würden, sich entfernten und wieder zurück kehrten.
    Aber nur der Mann hört es. Über zweitausend andere Leute sind da, aber sie alle sind tot.
    Sie kommen e m por aus transparenten Rechtecken, die nun i m Boden erscheinen, kommen e m por, ohne zu at m en, ohne zu blinzeln und liegend. Sie ruhen auf unsichtbaren Katafalken in einer Höhe von zwei Fuß, und ihre Gewänder und ihre Haut schim m ern in allen Farben, und ihre Körper zeigen alle Altersstufen. Einige von ihnen haben Flügel, andere Schwänze, einige Hörner und andere lange Krallen. E i nige besitzen alle diese Dinge, und andere verfügen über eingebaute Maschinenteile.
    Viele sehen auch aus wie der Mann, sind un m odifiziert.
    Der Mann trägt gelbe Hosen und ein är m elloses H e m d von derselben F arbe. Sein Gürtel und sein U m hang sind schwarz. Er steht neben dem schim m ernden S t ab sei n es Meisters, u nd er beobachtet die Toten unter sich.
    »Steht auf!« ruft er aus. »Ihr alle!«
    Und seine Worte vermischen sich m it d e m Summen in der Luft, und werden ständig wiederholt, nicht schwächer werdend wie ein Echo, sondern andauernd und sich erneuernd, m i t der Kraft eines elektrisc h en Alar m s.
    Die Luft ist angefüllt und bewegt. Ein Stöhnen und ein Knarren brüchiger Gelenke erhebt sich, dann Bewegung.
    Rascheln, Knacken, Reiben, sie setzen sich auf, sie erheben sich.
    Dann hören Geräusche und Bew e gung auf, und die Toten stehen wie nicht angezündete Kerzen neben ihren geöffneten Gräbern.
    Der Mann steigt von der Platt f orm herab und bleibt einen Mo m ent stehen, dann sagt er: »Folgt m i r!« und geht den Weg zurück, den er gekom m e n ist, und l ä ßt den Stab seines Meisters vibrierend in der grauen Luft zurück.
    Während er geht, nähert er sich ei n er Frau, die hochgewachsen ist und golden leuchtet und eine Selbst m örderin ist. Er starrt in ihre blinden Augen und fragt: » K ennst du m i ch ? « und die orangefarbenen Lippen, die toten Lippen, die trockenen Lippen bewegen sich, und sie flüst e rn, »nein«, aber er blickte sie weiter an und fragt: »Hast du m i ch ein m al gekannt ? « und seine Worte sum m en in der Luft, bis sie wiederum »nein« sagt und er an ihr vorüber geht.
    Er wendet sich noch an zwei andere: Einen uralten Mann m i t einer im linken Handgelenk eingebauten Uhr, und einen schwarzen Zwerg m it Hörnern, H ufen und einem Ziegensch w anz. Aber beide antworten m it »Nein«, fallen hinter ihm zurück und folgen ihm aus die s em gewaltigen Raum hinaus in einen anderen, wo noch m ehr Tote unter dem Stein liegen, ohne wirklich zu warten, um hervorgerufen zu werden zu seinem Tausendjährigen Abend im Haus der Toten.
    Der Mann führt sie. Er führt die Toten, die er in Bewegung zurück gerufen hat, und sie folgen ih m . Sie fo l gen ihm durch Korridore, Galerien und Hallen, und weite, gerade Treppen hinauf und enge, gewundene Treppen hinab, und schließlich gelangen sie in
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