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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume
Autoren: Judith McNaught
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Kapitel eins
    »Ein Hoch auf den Duke of Claymore und seine Braut!«
    Unter normalen Umständen hätte dieser Trinkspruch auf ein Hochzeitspaar die verschwenderisch gekleideten Damen und Herren, die in der großen Halle von Merrick Castle versammelt waren, dazu veranlaßt, zu lachen und zu jubeln. Weinkelche wären gehoben und noch mehr Toasts ausgesprochen worden, um die große und vornehme Hochzeit, die im Süden von Schottland stattfand, gebührend zu feiern.
    Aber heute geschah nichts dergleichen. Nicht bei dieser Hochzeit.
    Bei dieser Hochzeit jubelte niemand, und kein Mensch hob seinen Weinkelch - im Gegenteil, jeder beobachtete jeden, und alle waren auf der Hut. Die Familie der Braut war nervös und angespannt, und die Familie des Bräutigams stand ihr in nichts nach. Die Gäste und Bediensteten, ja, sogar die Jagdhunde in der Halle waren unruhig und nervös. Selbst der erste Earl of Merrick, dessen Porträt über dem Kaminsims hing, schien die Hochzeitsgesellschaft mit argwöhnischem Blick zu betrachten.
    »Ein Hoch auf den Duke of Claymore und seine Braut«, rief der Bruder des Bräutigams noch einmal, und seine Stimme zerriß wie Donnerhall die unnatürliche Grabesstille in der bevölkerten Halle. »Sie mögen sich eines langen gemeinsamen Lebens erfreuen und viele Kinder bekommen!«
    Normalerweise ruft dieser althergebrachte Trinkspruch immer dieselben Reaktionen hervor: Der Bräutigam lächelt stolz, weil er überzeugt ist, etwas Großartiges erreicht zu haben.
    Die Braut lächelt, weil sie in der Lage war, ihm dieses Gefühl zu entlocken. Lächeln, weil eine Hochzeit unter Adligen zwei bedeutsame Familien und große Besitztümer vereint - an sich schon Grund für ein großes Fest und ausgelassene Fröhlichkeit.
    Aber heute, an diesem vierzehnten Oktober des Jahres 1497, war alles anders.
    Nach dem Trinkspruch hob der Bruder des Bräutigams seinen Weinkelch, sah den Bräutigam an und verzog bitter den Mund. Die Freunde des Bräutigams erhoben ihre Kelche und beäugten die Familie der Braut mit starrem Lächeln. Die Familienmitglieder der Braut hielten ihre Kelche hoch und erwiderten kühl die Blicke. Der Bräutigam, als einziger anscheinend immun gegen die Feindseligkeit der Gäste, erhob ebenfalls sein Glas und bedachte seine Braut mit einem ruhigen, gleichmütigen Lächeln, das jedoch seine Augen nicht erreichte.
    Die Braut machte sich nicht die Mühe, auch nur eine Miene zu verziehen. Ihr Gesichtsausdruck blieb zornig und rebellisch.
    In Wahrheit war Jennifer so außer sich vor Wut, daß ihr die Anwesenheit der vielen Menschen kaum bewußt war. Im Augenblick konzentrierte sie sich mit jeder Faser auf ein letztes, verzweifeltes Stoßgebet und klagte Gott an, der es aus reiner Unaufmerksamkeit oder Interesselosigkeit zugelassen hatte, daß sie in eine so schlimme Lage geraten war.
    »Gott im Himmel «, muckte sie innerlich auf und schluckte den Kloß des Entsetzens hinunter, der ihr die Kehle zuschnürte. »Gott dort oben, unternimm etwas und verhindere diese Hochzeit. Du mußt schnell handeln - in fünf Minuten ist es zu spät. Ich verdiene etwas Besseres als diese erzwungene Ehe mit einem Mann, der mir die Unschuld geraubt hat! Ich habe mich ihm nicht freiwillig hingegeben, das weißt du.?
    Sie merkte, wie töricht es war, den Allmächtigen zu tadeln und wechselte die Tonart: »Habe ich dir nicht immer treu gedient?« flüsterte sie unhörbar. »War ich dir nicht immer gehorsam?«
    »NICHT IMMER, JENNIFER«, hörte sie ihr Gewissen sagen.
    »Fast immer«, verbesserte sich Jenny eilfertig. »Ich war jeden Tag in der Messe - nur selten, wenn ich krank war, habe ich diese Pflicht versäumt und ich habe jeden Morgen und jeden Abend gebetet. Beinahe jeden Abend«, schränkte sie hastig ein, ehe ihre innere Stimme erneut Widerspruch einlegen konnte, »aber immer, wenn ich nicht so müde war, daß ich vorher einschlief. Und ich habe versucht, mich wirklich bemüht, eine so gute Novizin zu sein, wie es die Äbtissin von mir erwartete. Du weißt, wie sehr ich mich angestrengt habe, Gott«, schloß sie verzweifelt. »Wenn du mir hilfst, dem allen zu entkommen, will ich nie wieder eigensinnig oder unbeherrscht sein .«
    »DAS GLAUBE ICH DIR NICHT, JENNIFER«, antwortete die Stimme unbeirrt.
    »Aber ich schwöre es«, beteuerte sie ernst und versuchte einen Handel. »Ich tue alles, was du von mir verlangst - werde sofort wieder ins Kloster gehen und mein ganzes Leben dem Gebet und der Andacht weihen
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