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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6
Autoren: Arkady Strugatsky
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Welt … Sofort stellen sich Assoziationen ein: neue Ordnung, alte Ordnung. 1
    … Na schön, aber der Einfaltspinsel Banew lebt doch nicht erst seit heute, einiges hat er doch schon gesehen und gelernt. Er ist doch nicht völlig verblödet. Es gibt auf dieser Welt auch Diana, Sursmansor, Golem. Warum soll ich dem Faschisten Pavor, diesem rotznasigen Dorfbengel, oder dem nüchternen Quadriga glauben? Warum muss alles unbedingt Blut, Fäulnis und Schmutz sein? Die Nässlinge kämpfen gegen General Pferd? Großartig! Sollen sie ihn zur Hölle schicken. Es ist höchste Zeit. Aber den Kindern werden sie kein Haar krümmen, das würde nicht zu ihnen passen. Sie schlagen sich nicht an die Brust, sie appellieren nicht ans Nationalbewusstsein und wecken keine schlummernden Instinkte. Das Natürliche steht dem Menschen am wenigsten an – richtig, Bol-Kunaz, du bist ein kluges Kind. Und es kann durchaus sein, dass das eine neue Welt ohne eine neue Ordnung ist. Ist das schlimm? Unbequem? Aber so muss es sein. Die Zukunft wird von einem, aber nicht für einen geschaffen. Wie habe ich mich aufgeführt, als ich an mir Flecken der Zukunft entdeckte! Wie hat es mich da in die Vergangenheit gezogen, zu den Neunaugen, zum Schnaps. Eine peinliche Erinnerung, dabei kann es gar nicht anders sein. Jawohl, ich hasse die alte Welt. Ihre Dummheit, ihre Unwissenheit, ihren Faschismus. Aber was bin ich ohne das alles? Das ist doch mein Brot. Bringt die Welt um mich herum in Ordnung, richtet sie so ein, wie ich sie haben möchte – und es ist aus mit mir. Ich kann nicht schmeicheln, Lobeshymnen liegen mir nicht, und wenn’s nichts mehr zu verfluchen oder zu hassen gibt, kann ich mich gleich ins Grab legen. Die neue Welt ist streng, gerecht, klug und steril, sie braucht mich nicht, für sie bin ich eine Null. Sie hat mich nur gebraucht, solange ich für sie gekämpft habe. Und wenn sie mich nicht braucht, brauche ich sie auch nicht. Aber wenn ich sie nicht brauche, warum kämpfe ich dann für sie? Ach, wo ist die gute alte Zeit geblieben, in der man sein Leben für die neue Welt hingeben, aber noch in der alten Welt sterben konnte. Akzeleration, nichts als Akzeleration … Aber man kann doch nicht gegen etwas sein, wenn man nicht zugleich für etwas ist! Wo gehobelt wird, fallen Späne.
    Irgendwo auf der großen, öden Welt weinte ein kleines Mädchen und jammerte immer wieder: Ich will nicht, ich will nicht, das ist ungerecht und grausam, wer weiß, ob’s wirklich besser wird? Von mir aus braucht’s nicht besser zu werden. Sie sollen bleiben; kann man’s denn wirklich nicht so einrichten, dass sie bei uns bleiben können? Wie dumm und sinnlos das alles ist … Das ist doch Irma, dachte Viktor. »Irma!«, schrie er und wachte auf.
    Quadriga schnarchte. Es hatte aufgehört zu regnen und schien heller geworden zu sein. Viktor hielt sich die Uhr dicht vor die Augen. Die leuchtenden Zeiger standen auf Viertel vor fünf. Von draußen wehte es feucht und kühl herein, er hätte aufstehen und das Fenster schließen sollen, aber ihm war so wohlig warm, dass er sich nicht bewegen mochte, dann fielen ihm wieder die Augen zu. Er wusste nicht mehr, war es ein Traum, war es Wirklichkeit … Er hörte Wagen auf Wagen vorbeirollen, sie fuhren die schmutzige, ausgefahrene Straße entlang, über ein endloses, dreckiges Feld, unter einem schmutzig grauen Himmel, vorbei an schiefen Telegra fenmasten mit zerfetzten Drähten, vorbei an einer zermalmten Kanone mit abgerissenem Rohr, vorbei an einem ausgebrannten Schornstein, auf dem satte Krähen hockten. Und die muffige Nässe drang unter die Plane, unter den Uni formmantel, und er war schrecklich müde. Doch er durfte nicht schlafen, weil Diana vorbeifahren würde, die Pforte war verschlossen, die Fenster dunkel … Diana dachte, ich bin nicht hier, und ist weitergefahren. Er sprang aus dem Fenster und rannte, so schnell er konnte, dem Wagen hinterher und schrie sich die Kehle wund, aber da fuhren Panzer vorbei, und in dem Dröhnen und Poltern hörte er sein eigenes Wort nicht mehr. Diana fuhr zu der Überfahrt, wo alles brannte, wo man sie töten würde, und er würde allein bleiben … Da ertönte auch schon das wilde, durchdringende Heulen einer Bombe, das direkt in seinen Schädel, ja in sein Hirn fuhr. Vik tor warf sich in den Straßengraben und fiel aus dem Sessel.
    Dr. Quadriga kreischte. Er hatte sich vor das offene Fenster gestellt, starrte in den Himmel und kreischte wie ein Weib: Es war hell, aber
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