Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
die Etiketten an: Rum, Whisky. Er probierte noch einmal: Wasser. Ein richtiger Spuk war das. Irgendwo knarrten ein paar Dielen, und unter dem stechenden Blick unsichtbarer Augen lief es ihm kalt über den Rücken. Der Soldat zog Kopf und Arme in Quadrigas riesigen Pullover ein, seine Augen waren kugelrund vor Angst, und er sah Viktor unverwandt an.
    Der fragte heiser: »Was starrst du mich so an?«
    »Was haben Sie denn?«, fragte der Soldat flüsternd.
    »Ich habe gar nichts, ich will nur wissen, warum du mich so anstarrst.«
    »Na, Sie haben doch was … Das ist ja richtig unheimlich … Hören Sie auf damit.«
    Ruhig Blut, sagte sich Viktor. Alles halb so wild. Das sind eben Übermenschen. Und Übermenschen können noch ganz was anderes. Die können alles. Wasser in Wein und Wein in Wasser. Da hocken sie im Restaurant und verwandeln alles. Sie untergraben die Basis, die Eckpfeiler. Ach, diese gottverdammten Abstinenzler …
    »Jetzt hast du wohl Angst gekriegt?«, fragte er den Soldaten. »Hosenscheißer.«
    »Es ist so unheimlich!«, antwortete der Soldat und wurde unruhig. »Sie wissen ja nicht, was ich durchgemacht habe. Nachts steht man auf Posten, da kommt so einer aus der Zone geflattert, guckt einen von oben her an und fliegt weiter. Ein Korporal hat sich sogar vor Schreck in die Hosen gemacht. Der Hauptmann sagte zwar immer wieder: ›Daran gewöhnt ihr euch, so ist nun mal der Dienst, ihr habt einen Eid geleistet‹, aber an so etwas kann man sich nicht gewöhnen. Neulich kam einer angeschwirrt, setzte sich aufs Dach des Wachhauses und guckte und guckte … Die Kerle haben ja keine Menschenaugen: Sie sind rot und glühen wie Kohlen, und der Kerl stank meilenweit nach Schwefel.« Der Soldat streckte die Hände aus den Ärmeln und bekreuzigte sich.
    Immer noch geduckt und auf Zehenspitzen, kam Quadriga wieder zum Vorschein.
    »Alles Wasser«, erklärte er. »Viktor, lass uns abhauen. Der Wagen steht vollgetankt in der Garage. Steigen wir ein, und dann nichts wie weg! Hm?«
    »Keine Panik«, mahnte Viktor. »Abhauen können wir im mer noch. Aber mach, was du willst. Ich warte noch, du kannst aber ruhig fahren. Und nimm den Jungen mit.«
    »Nein«, entgegnete Quadriga. »Ohne dich fahre ich nicht.«
    »Dann hör auf zu zittern und schaff etwas zu essen herbei«, verlangte Viktor. »Oder hat sich das Brot bei dir schon in Stein verwandelt?«
    Das Brot hatte sich nicht in Stein verwandelt. Auch die Konserven waren Konserven geblieben, sogar noch ganz annehmbare. Sie aßen, und der Soldat erzählte von der Angst, die er in den letzten zwei Tagen ausgestanden hatte; von den fliegenden Nässlingen; von der Invasion der Regenwürmer und den Kindern, die in zwei Tagen erwachsen geworden waren; von seinem Freund, dem Soldaten Krupmann, einem neunzehnjährigen Burschen, der sich vor Angst erschossen hatte; von dem Mittagessen, das man ihnen ins Schilderhaus brachte, das sie zum Aufwärmen auf die Kochplatte stellten, aber nach zwei Stunden noch immer nicht warm war, sodass sie es kalt essen mussten … »Und heute Abend trat ich um acht meinen Dienst an. Es goss und hagelte, und über der Zone blinkten abscheuliche Lichter, bestialische Musik ertönte, und eine Stimme redete ununterbrochen, aber was sie sagte, war nicht zu verstehen. Dann näherten sich aus der Steppe wirbelnde Säulen und – ab in die Zone! Kaum waren sie drin, ging das Tor auf, und der Wagen des Herrn Hauptmann kam herausgeschossen. Ich konnte nicht einmal das Gewehr präsentieren und sah nur, wie der Herr Hauptmann ohne Mütze und Regenmantel hinten im Wagen saß, den Fahrer ins Genick stieß und schrie: ›Fahr zu, du Hundesohn!‹ Da gab es in mir plötzlich einen Knacks, und mir war, als hörte ich eine Stimme, die sagte: Lauf, hau ab, wenn dir dein Leben lieb ist. Na, und da bin ich weg. Aber nicht die Straße entlang, sondern querfeldein durch Steppe und Schluchten. Fast wäre ich im Sumpf versackt, sogar meinen Umhang habe ich irgendwo verloren, er war nagelneu, man hatte ihn mir erst gestern ausgegeben. So hab ich mich dann zur Stadt durchgeschlagen, aber dort waren Patrouillen. Ich entging ihnen einmal, ich entging ihnen zweimal, und jedes Mal mit knapper Not, dann kam ich hierher, zur Raststätte, und sah, wie die Leute flohen. Zivilisten ließen die Patrouillen durch, von unsereinem aber verlangten sie einen Passierschein. Na, und da kam ich auf die Idee.«
    Nachdem der Soldat seine Geschichte erzählt hatte, rollte er sich im Sessel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher