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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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»vielleicht 'ne Heckenschere geklaut, aber ich hab
sie nich behalten, das mach ich nie«. Der Rentner bestätigte, Michael um acht
Uhr morgens gesehen zu haben. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die kleinen
Gemüsebeete den Jungen allzu lange interessierten. Eine Viertelstunde lang habe
er laut Aussage des Zeugen »darin herumgetrampelt, bis ich ein ernstes Wort
mit ihm geredet habe. Er hat geflucht wie ein Kesselflicker und sich verzogen.«
    Offenbar ging Michael
tatsächlich in Richtung Schule, aber auf dem Weg dorthin begegnete er Reggie
Arnold.
     
    Reggie Arnold war der
vollkommene Gegensatz zu Michael Spargo. Während Michael für sein Alter groß
war und spindeldürr, war Reggie eher klein und pummelig. Sein Haar wurde ihm
regelmäßig extrem kurz geschoren, weswegen er in der Schule ständig gehänselt
wurde. (Die Mitschüler nannten ihn »diesen Charlie-Brown-Wichser«.) Aber im
Gegensatz zu Michael war er für gewöhnlich sauber und ordentlich gekleidet.
Laut Aussage der Lehrer war Reggie »ein guter Junge, aber cholerisch«, und auf
die Frage hin, worauf sein cholerisches Verhalten zurückzuführen sei, sprachen
sie von »Problemen zwischen den Eltern und Problemen mit dem Bruder und der
Schwester«. Aus diesen Informationen lässt sich mit großer Sicherheit
schließen, dass Reggie sich aufgrund der kriselnden Ehe seiner Eltern in
Verbindung mit der Behinderung des älteren Bruders und der geistigen
Behinderung der jüngeren Schwester auf verlorenem Posten fühlte.
    Man muss betonen, dass Rudy
und Laura Arnold in der Tat kein leichtes Schicksal hatten. Ihr ältester Sohn
ist aufgrund einer Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt. Ihre Tochter war
als ungeeignet für eine normale Schule eingestuft worden und besuchte eine
Sonderschule. Dies führte dazu, dass die elterliche Fürsorge fast ausschließlich
den beiden problematischen Kindern galt und die ohnehin schon brüchige Ehe, in
deren Verlauf die Arnolds sich immer wieder getrennt hatten, zusätzlich
belastet wurde, sodass Laura häufig auf sich allein gestellt war.
    In dieser komplizierten
familiären Situation wurde Reggie nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Laura gab
bereitwillig zu, dass sie »den Jungen vernachlässigt« habe, während sein Vater
behauptete: »Ich habe den Jungen fünf oder sechs Mal zu mir geholt«, womit er
offenbar betonen wollte, dass er in den Zeiten der Trennung seinen elterlichen
Pflichten nichtsdestotrotz nachgekommen sei. Wie man sich leicht vorstellen
kann, führte Reggies ungestillte Sehnsucht nach Zuwendung dazu, dass er
unablässig versuchte, die Aufmerksamkeit Erwachsener auf sich zu ziehen. Auf
der Straße äußerte sich dies darin, dass er regelmäßig kleine Diebstähle
beging und hin und wieder jüngere Kinder drangsalierte. In der Schule äußerte
es sich in Aufsässigkeit. Diese Aufsässigkeit wurde von den Lehrern
bedauerlicherweise als das oben erwähnte »cholerische Verhalten« gedeutet und
nicht als der Hilferuf erkannt, der es in Wirklichkeit war. Wenn Reggie sich
ungerecht behandelt fühlte, warf er sein Pult um, schlug seinen Kopf gegen
Tisch und Wand und warf sich wutschreiend zu Boden.
    Am Tag des Verbrechens
begegneten sich Michael Spargo und Reggie Arnold Augenzeugen zufolge - und die
Überwachungskameras bestätigen dies - vor dem Lebensmittelladen, der in der
Nähe von Reggies Zuhause und auf dem Weg zu Michaels Schule lag. Die Jungen
kannten sich und hatten schon einige Male miteinander gespielt, waren jedoch
den jeweiligen Eltern unbekannt. Laura Arnold sagte aus, sie habe Reggie zum
Laden geschickt, um Milch zu holen, und der Ladeninhaber bestätigte, dass
Reggie einen halben Liter fettarme Milch gekauft habe. Außerdem stahl er zwei
Marsriegel, »einfach so aus Spaß«, wie Michael sich ausdrückte.
    Michael begleitete Reggie
zurück nach Hause. Die Jungen machten sich einen Spaß daraus, die Milchtüte
aufzureißen und den Inhalt in den Tank einer Harley-Davidson zu schütten - ein
Streich, der jedoch vom Besitzer des Motorrads beobachtet wurde, der den
beiden vergeblich hinterherlief. Später erinnerte er sich an den senfgelben
Anorak, den Michael Spargo trug. Zwar kannte er keinen der beiden Jungen mit
Namen, doch er identifizierte Reggie Arnold anhand verschiedener Fotos, die die
Polizei ihm vorlegte.
    Als Reggie ohne die Milch zu
Hause eintraf, erzählte er seiner Mutter - indem er sich auf Michael als
Zeugen berief -, er wäre unterwegs von zwei größeren Jungen angegriffen worden,
die
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