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TS 77: Der große Zeitkrieg

TS 77: Der große Zeitkrieg

Titel: TS 77: Der große Zeitkrieg
Autoren: John Brunner
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1.
     
    An diesem Abend war der Himmel von samtenem Dunkel. Ein weißer Vollmond hing über dem Berg. Red Hawkins zögerte einen Augenblick in der Tür und humpelte dann den Pfad entlang auf das Tor zu. Unterwegs warf er einen Blick auf den Rasen, den er mit seinen Phantasievögeln aus Metall und Stein bevölkert hatte.
    Seine Schritte wurden von einem Geräusch begleitet, das er nie wieder loswerden konnte, das kaum wahrnehmbare metallische Klicken der Gelenke in seiner Aluminium-Beinprothese.
    Es verstummte, als er am Tor stehenblieb. Einen Augenblick lauschte er in das Schweigen. Die Straße, die von Orris Peak nach Three Waters verlief, lag still und kalt im bleichen Mondlicht.
    Als er sich eben umdrehen und zurückgehen wollte, geschah es.
    Plötzlich zuckte ein blendender Blitzstrahl auf, der ihn wie ein Schlag traf. Instinktiv hob er die Hand, aber es war vorbei, noch ehe er die Augen bedeckt hatte. Blindlings taumelte er rückwärts, verlor den Boden unter den Füßen und fiel in das weiche Gras.
    Von dem blendenden Lichtstrahl tanzten blaue und rote Ringe und Funken vor seinen Augen. Irgendwie hatten diese Reflexe ein festes Zentrum, so, als wäre plötzlich auf der Straße eine winzige Sonne entstanden. Es dauerte Sekunden, bis er sich endlich umsehen konnte. Der gelbe Lichtstrahl, der aus der offenen Tür in den Garten gefallen war, war verschwunden.
    Mühselig begann er sich aufzurichten. Er war verärgert, aber irgend etwas ließ ihn in ungläubigem Erstaunen verwirrt erstarren. Kaum wenige Schritte entfernt, hörte er die laute Stimme eines Mädchens, in der Zorn mitschwang.
    „Merde! De quoi s’agit-il, alors?“
    Aber es war doch unmöglich. Noch vor wenigen Sekunden hatte er doch gesehen, daß mindestens eine halbe Meile in jeder Richtung der Straße kein Mensch gewesen war. Er richtete sich ganz auf und rief mit unsicherer Stimme: „Hallo! Ist jemand dort?“
    „Hallo“, tönte die Stimme des Mädchens zurück. „Was ist mit dem Licht geschehen?“ Sie hatte einen deutlich hörbaren französischen Akzent.
    Licht, verdammt, dachte Red. Woher stammte dieses Licht?
    Ohne sie zu fragen, ging er zum Tor. Jetzt konnte er ihre Gestalt undeutlich auf der Straße erkennen.
    „Stromausfall, vermute ich“, sagte er nach einer langen Pause. Jetzt, da er darauf achtete, konnte er nicht mehr das gleichmäßige Summen des kleinen Generators hinter dem Hause hören.
    „Oh, nein, dieser Nebel ist schon schlimm genug ohne …“
    Der Fuß des Mädchens stieß gegen etwas, das im Schatten lag. Abrupt drehte es sich um und sah hin.
    „Nebel?“ – Red wiederholte das Wort leise.
    Wo glaubt sie sich denn aufzuhalten? In Los Angeles?
    Dann hörte er wieder ihre Stimme, diesmal voller Entsetzen. „Hier liegt ein Mann! Er ist verletzt!“
    Red stieß das Tor auf. Rasch legte er die zehn Schritte zurück, die ihn von dem Mädchen trennten. Als er es erreichte, sprach das Mädchen mit erregter Stimme. „Ein Licht! Schnell! Er muß überfahren worden sein.“
    Das ganze kam ihm wie ein Alptraum vor. Red schützte die kleine Flamme seines Feuerzeugs mit den gewölbten Händen. Überfahren? In den letzten vier Stunden war kein Auto vorbeigekommen.
    Aber kein Zweifel, auf dem Boden lag ein Mann. Der rechte Arm war ausgestreckt und lag in einem seltsamen Winkel. Ein kleines Blutgerinnsel floß über das braune, beinahe orientalisch wirkende Gesicht.
    Mit geschickten Fingern umspannte das Mädchen das Handgelenk des Fremden. Ohne aufzusehen, fuhr es fort: „Gehen Sie und verständigen Sie schnell das Krankenhaus. Er muß unverzüglich in Behandlung.“
    „Das nächste Krankenhaus ist in Walton“, erwiderte Red scharf. „Das ist fünfundzwanzig Meilen entfernt. Sind Sie verrückt geworden?“
    Das Mädchen wandte ihm das Gesicht zu. Es war äußerst hübsch. Braunes kurzes Haar lag über dunklen, glänzenden Augen und einer zierlichen Stupsnase. Mit erzwungener Geduld antwortete es: „Das Krankenhaus liegt doch gerade um die Ecke – ich muß es schließlich wissen. Ich arbeite ja dort.“
    „Blödsinn!“ Red stieß es heftiger hervor, als er es beabsichtigt hatte. „Selbst der nächste Doktor ist erst in Three Waters.“
    Als nehme es zum erstenmal die Umgebung wahr, sah das Mädchen sich langsam um. Die Augen öffneten sich weit vor Entsetzen. Red ging einen Schritt auf das Mädchen zu, um es aufzufangen, denn er fürchtete, es könnte ohnmächtig werden. Aber es erholte sich rasch und schüttelte den
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