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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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als
Mutter sprach, sondern sie als »Schlampe«, »Fotze«, »Flittchen«, »Nutte« und
»Bettvorleger« bezeichnete. Von seiner Großmutter sprach er überhaupt nicht.
    Michael und Reggie hatten
offenbar kein Problem damit, lan an jenem Morgen zu finden. Sie gingen nicht
zu ihm nach Hause - »seine Mutter war meistens besoffen«, so Reggie, »und hat
nur rumgebrüllt« -, sondern sie kamen dazu, als er gerade einen kleineren Jungen
verdrosch, der auf dem Weg zur Schule gewesen war. lan hatte gerade »den Ranzen
von dem Jungen auf der Straße ausgeschüttet« und dessen Inhalt durchsucht, in
erster Linie nach Geld. Als aber der Junge nichts bei sich hatte, was lan
brauchen konnte, »hat er ihn ganz gemein gegen eine Hauswand geschubst«, so
Michael, »und ist auf ihn losgegangen«.
    Weder Reggie noch Michael
versuchten, lan aufzuhalten. Reggie sagte: »Es war nur Spaß. Ich konnte sehen,
dass er dem Jungen nichts tun wollte«, während Michael behauptete, er habe
»nich richtig gesehen, was der vorhatte«, was man bezweifeln darf, da die
Jungen dicht beieinanderstanden. Aber was auch immer lan vorgehabt haben mag,
er konnte seine Pläne nicht in die Tat umsetzen. Ein Autofahrer hielt an und
verlangte zu wissen, was sie da trieben, worauf die Jungen Reißaus nahmen.
    Es gibt Vermutungen, dass an
jenem Morgen lans Drang, irgendjemandem wehzutun, letztlich zu dem führte, was
später geschah. Während der Vernehmungen war Reggie nur zu eifrig, mit dem Finger
auf lan zu zeigen. Aber auch wenn lans Zorn ihn in der Vergangenheit
zweifellos zu Taten getrieben hatte, die so niederträchtig waren, dass sich
der ganze Abscheu auf ihn konzentrierte, sobald die Wahrheit ans Licht kam,
zeigen die Beweise doch, dass er bei dem, was folgte, nicht mehr und nicht weniger beteiligt war als die anderen
beiden Jungen [Hervorhebung von mir].
     
    JUNI
    NEW FOREST HAMPSHIRE
     
    Der pure Zufall hatte sie zu
ihm geführt. Hätte er nicht ausgerechnet in dem Augenblick von seinem Gerüst
hinabgeblickt, würde er sich später sagen, wäre er an jenem Nachmittag mit Tess
auf direktem Weg nach Hause anstatt noch in den Wald gegangen, und sie wäre
nie in sein Leben getreten. Dass er genau das hatte denken sollen, war eine Erkenntnis, die ihm
erst kam, als es viel zu spät war.
    Es war später Nachmittag, und
es war heiß. Gewöhnlich wartete der Juni mit Regengüssen auf, die jeder
Hoffnung auf einen Sommer Hohn sprachen. Aber in diesem Jahr hatte das Wetter
sich etwas anderes vorgenommen. Sonnige Tage und wolkenloser Himmel versprachen
für Juli und August eine anhaltende Hitze, die den Boden austrocknen, die
weiten Grasflächen verdorren lassen und die New-Forest-Ponys auf ihrer
Futtersuche immer tiefer in die Wälder treiben würde.
    Er befand sich ganz oben auf
dem Gerüst und wollte gerade aufs Dach klettern, wo er angefangen hatte, das
Stroh anzubringen. Weil Stroh viel biegsamer war als Reet, eignete es sich hervorragend
für den First. Viele hielten die kunstvoll geflochtenen Strohbunde am First für
Zierrat. Er kannte indes den eigentlichen Zweck: die oberste Reetschicht gegen
Schäden durch Wetter und Vögel zu schützen.
    Er ging auf dem Zahnfleisch.
Er war gereizt. Seit drei Monaten arbeitete er schon an diesem Riesenprojekt,
und er hatte fest zugesagt, in zwei Wochen das nächste anzufangen; doch immer
noch mussten abschließende Arbeiten erledigt werden, und die konnte er nicht
seinem Lehrling überlassen. Cliff Coward war noch nicht so weit, dass er mit
dem Klopfbrett umgehen konnte. Diese Arbeit war entscheidend für den Gesamteindruck
des Dachs, und sie erforderte sowohl Geschick als auch ein erfahrenes Auge.
Cliff konnte man solche komplizierten Arbeiten nicht anvertrauen. Er bekam ja
nicht einmal die simpelsten Aufgaben auf die Reihe - zum Beispiel ihm jetzt
zwei Bunde Stroh aufs Dach zu reichen. Wieso brachte dieser Kerl es nicht
fertig, einen so banalen Auftrag auszuführen?
    Die Suche nach der Antwort auf
diese Frage sollte Gordon Jossies Leben ändern.
    Er wandte sich vom First ab
und rief ungehalten: »Cliff! Wo zum Teufel steckst du?« Eigentlich hätte sein
Lehrling unten bei den Strohbunden auf die Anweisungen des Meisters warten
sollen. Doch stattdessen war er zu Gordons verstaubtem Pickup gegangen, der in
einigen Metern Entfernung stand. Dort hockte Tess in Habachtstellung und
wedelte mit dem Schwanz, während eine Frau ihr den Kopf tätschelte - eine
Fremde, wahrscheinlich eine Touristin, nach ihrer Kleidung und
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