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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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Elizabeth
George
     
    Wer dem Tode geweiht
     
    Ein
Inspector-Lynley-Roman
     
    Deutsch von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
     
    Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich aus diesem dem
Tod verfallenen Leib erretten?
    Römer, 7:24
     
    ANFÄNGE
     
    Aus den Berichten der
ermittelnden Polizisten, die Michael Spargo und seine Mutter vor der
Anklageerhebung vernahmen, geht hervor, dass der Tag, an dem der Junge zehn
Jahre alt wurde, für ihn bereits schlecht angefangen hatte. In Anbetracht des
von Michael begangenen Verbrechens und der großen Antipathie, die ihm später
vonseiten der Polizei und der Mitbürger entgegengebracht wurde, kann man derlei
Darstellungen zwar als fragwürdig betrachten. Allerdings kommt auch der
ausführliche Bericht der Sozialarbeiterin, die Michael sowohl während der
Verhöre als auch während der späteren Gerichtsverhandlung zur Seite gestellt
war, zu dem gleichen Ergebnis.
    Manche Einzelheiten werden
sich selbst demjenigen, der sich mit Kindesmissbrauch, Familiendysfunktion und
der daraus resultierenden Psychopathologie beschäftigt, nie erschließen. Doch
die wesentlichen Charakteristika sind unverkennbar und unweigerlich erfahrbar
für jedermann, der mit den betroffenen Personen in Kontakt kommt, wenn diese -
bewusst oder unbewusst - ihre mentalen, psychischen und emotionalen Störungen
an den Tag legen.
    Dies war auch bei Michael
Spargo und seiner Familie der Fall.
    Michael ist der sechste von
neun Brüdern. Gegen zwei seiner Brüder (Richard und Pete, damals achtzehn und
fünfzehn Jahre alt) sowie gegen seine Mutter Sue lagen wegen anhaltender
Streitereien mit den Nachbarn, wegen Belästigung diverser Rentner, die in der
Sozialsiedlung wohnten, wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit und Zerstörung
privaten und städtischen Eigentums Anzeigen vor. In dem Haushalt gab es keinen
Vater. Vier Jahre vor Michaels zehntem Geburtstag hatte Donovan Spargo Frau und
Kinder verlassen und war mit einer fünfzehn Jahre älteren Witwe nach Portugal
gezogen. Auf dem Küchentisch hatte er einen Abschiedsbrief und fünf Pfund in
Münzen hinterlassen. Seitdem hatte man nie wieder von ihm gehört. Er erschien
nicht zu Michaels Gerichtsverhandlung.
    Sue Spargo, die weder über
einen Schulabschluss noch über nennenswerte berufliche Qualifikation verfügt,
gab freimütig zu, dass sie, nachdem ihr Mann sie sitzen gelassen hatte, »ein
bisschen zu viel getrunken« habe und von da an kaum noch in der Lage gewesen
sei, sich um ihre Söhne zu kümmern. Bis zu Donovan Spargos Verschwinden hatte
die Familie zumindest nach außen hin einigermaßen stabil gewirkt, wie sich aus
Schulzeugnissen und Berichten von Nachbarn und der örtlichen Polizei schließen
lässt. Aber nachdem das Familienoberhaupt sich abgesetzt hatte, traten die
Störungen innerhalb der Familie offen zutage.
    Die Spargos wohnten in
Buchanan Estate, einer trostlosen Ansammlung von grauen Stahlbetontürmen und
schmucklosen Reihenhäusern in einem Stadtteil mit dem treffenden Namen »The
Gallows« - »Galgen« -, der bekannt ist für Schlägereien, Straßenraub, Autodiebstahl
und Einbruchdiebstähle. Morde geschahen dort nur selten, aber Gewalt war an der
Tagesordnung. Die Spargos gehörten zu den Bewohnern, die etwas besser gestellt
waren. Aufgrund der Größe der Familie lebten sie in einem Reihenhaus und nicht
in einem der Wohntürme. Sie hatten einen Garten und einen kleinen Vorgarten,
die sie allerdings nicht pflegten. Das Haus verfügte über ein Wohnzimmer, eine
Küche, vier Schlafzimmer und ein Bad. Michael teilte sich ein Zimmer mit seinen
drei jüngeren Brüdern. Sie schliefen in zwei Etagenbetten. Vier seiner älteren
Brüder teilten sich das Nebenzimmer. Nur Richard, der Älteste, hatte ein
eigenes Zimmer - ein Vorrecht, das offenbar seiner Neigung zuzuschreiben war,
seine jüngeren Brüder zu schikanieren. Auch Sue Spargo bewohnte ein eigenes
Zimmer. Interessanterweise betonte sie während der Vernehmungen mehrmals,
dass, wenn einer der Jungen krank war, dieser bei ihr schlief und »nicht bei
diesem Rüpel Richard«.
    An Michaels zehntem Geburtstag
wurde kurz nach sieben Uhr morgens die Polizei gerufen. Ein Familienstreit war
so weit eskaliert, dass die Nachbarn sich veranlasst gesehen hatten
einzugreifen. Später sagten sie aus, sie hätten lediglich wieder Ruhe
herstellen wollen. Dagegen steht Sue Spargos Behauptung, die Nachbarn hätten
ihre Söhne angegriffen. Aus den Protokollen der anschließend von der
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