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FreeBook Bis das Harz gefriert

FreeBook Bis das Harz gefriert

Titel: FreeBook Bis das Harz gefriert
Autoren: Kirk Spader
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BIS DAS HARZ GEFRIERT
    Ein Weihnachts(baum)krimi aus Münster
    Drei Tage bis Heiligabend
    In einem Waldstück bei Münster
    Das Geräusch zerschnitt die Dunkelheit wie ein nervenzerfetzendes Kreischen. Es hatte Karlchen erwischt, der zwei Reihen vor mir stand.
    Die Menschenfamilie, die sein Todesurteil gesprochen hatte, stand vor Karlchen und sah in aller Seelenruhe zu, wie der Henker mit seiner harzverschmierten Säge hantierte. Es war wieder passiert. Einer von uns war gegangen.
    Karlchen war ein feiner Kerl, nicht der Schlaueste, aber von geradem Wuchs. Das war auch sein Verhängnis. Ich war schief gewachsen und hatte untenrum zu wenig Nadeln. Gut für mich. Ein neuer Wagen fuhr durch das Tor im Zaun. Wieder eine Familie, diesmal mit drei kleinen Kindern. Die Frau wusste, was sie wollte, und deutete auf einen Baumkollegen neben mir.
    »Den hier«, bestimmte sie, und es gab keinen Widerspruch.
    »Mit oder ohne Ballen?«, fragte der Henker.
    Mit oder ohne Ballen. Das war die entscheidende Frage. Mit Ballen hatte man eine Überlebenschance.
    Der Kollege neben mir war ein ziemlicher Blödmann, eine Nordmanntanne namens Lars.
    »Ohne Ballen natürlich, den Dreck will ich nicht in der Wohnung haben. Können Sie ihn für uns anspitzen?«, fragte die Frau zickig den Henker. Der löste eine Axt von seinem Gürtel.
    Lars schrie auf. Harz spritzte herum, und ich bekam einiges ab. Mir wurde schlecht.
    Zwei Tage bis Heiligabend
    In unserer Schonung standen nur noch zwei Bäume, ich und Romina, eine wunderschöne sibirische Blautanne mit einer wundervoll verteilten Nadelpracht. Sie rollte das »R« immer etwas, wenn sie sprach. Romina hatte Angst. Ich hätte sie gern in den Ast genommen, aber sie stand zu weit weg.
    In der Nacht hatte ich ein langes Gespräch mit Romina, wir waren uns wirklich nähergekommen. Man könnte auch sagen, wir waren seit heute Nacht hoffnungslos ineinander verknallt. Doch wir hatten keine Zukunft. Gegen elf Uhr fuhr das Ende in Form eines babyblauen Kleinwagens vor. Eine hübsche Frau mit puscheligen Ohrenschützern stieg aus.
    »Was kostet denn der Kleine da?«, fragte sie den Henker und deutete auf mich.
    »Zehn Euro, einpacken gratis«, wucherte der Henker.
    »Für acht Euro nehme ich ihn direkt mit«, sagte sie bestimmt.
    Der Henker brummte und nickte. Ich sah skeptisch zu dem Auto hinüber, in das eher ein Bonsai gepasst hätte, und bekam ein mulmiges Gefühl.
    »Mit oder ohne Ballen?«, fragte der Henker.
    Zur gleichen Zeit fuhr ein riesiges, langes weißes Auto auf den Platz. Der Henker und die Frau sahen zu dem Neuankömmling hinüber, die Türen öffneten sich, und ein Mann in einem weißen Pelzmantel stieg aus. Er hatte schleimige schwarze Haare. Eine Frau in einem kurzen Rock stieg aus der Beifahrertür. Sie presste ein kleines Tier an ihre pelzbemantelte Brust.
    »Tuffi ist das hier draußen aber zu kalt!«, bemerkte sie und sah den Schleimer vorwurfsvoll an.
    »Der Köter bleibt nicht allein im Auto!«, brüllte der Mann.
    Das Bündel fing an zu bellen. Die Frau setzte den »Köter« vorsichtig auf den Boden, wo er bis zum Bauch im Schnee versank. Dann gingen beide zu Romina hinüber. Meine neue Besitzerin hatte gerade etwas zu dem Henker gesagt, doch ich hatte nicht zugehört.
    »Aber mit Ballen passt er nicht in ihr Auto«, sagte der Henker gerade.
    Mir wurde heiß.
    »Doch. Ich lasse den Kofferraum auf. Meine Kinder würden es mir nicht verzeihen, wenn wir den Baum einfach abschneiden.«
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. Der Henker fluchte leise und holte einen Spaten.
    »He, Meister!« Das war wieder der Schleimige. »Was soll die Blautanne hier kosten?«
    Der Henker sah zu ihm: »Sechzig Euro, das ist ein Schnäppchen.«
    »Können Sie den auch liefern?«, fragte die Frau mit dem Hund, der sich geradewegs in meine Richtung durch den Schnee schob.
    »Wohin denn?«
    »Mauritzstraße 12 in Münster!«, ließ sich der Mann vernehmen. Dann zog er ein dickes Bündel Scheine aus seinem Mantel. »Hier sind zweihundert Euro, Meister, das sollte doch wohl reichen.« Der Henker schleppte mich zu dem Auto, das beim Näherkommen irgendwie immer kleiner wurde.
    »Romina, ich liebe dich, ich werde dich nie vergessen!«, rief ich zu ihr hinüber.
    »Ich liebe dich auch, viel Glück, Tom«, schluchzte sie erstickt.
    Tuffis Frauchen sagte zum Henker: »Wir nehmen sie so, wie sie ist, mit Wurzeln.«
    »Toll«, war die Antwort des Henkers, dann schwang er den Spaten.
    Romina war gerettet. Auch wenn sie
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