Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth
Autoren: Wer dem Tod geweiht
Vom Netzwerk:
ihm das Geld für die Milch abgenommen hätten. »Er weinte und war drauf und
dran, einen von seinen Anfällen zu kriegen«, sagte Laura Arnolds aus. »Ich habe
ihm geglaubt. Was blieb mir denn übrig?« In der Tat eine berechtigte Frage,
denn in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich in Abwesenheit ihres Mannes
allein um zwei behinderte Kinder kümmern musste, war eine fehlende Milchtüte,
egal wie dringend sie an jenem Morgen benötigt wurde, ein geringes Problem.
Allerdings wollte sie von ihrem Sohn wissen, wer Michael Spargo war. Reggie
stellte ihn als »Schulkameraden« vor, und er nahm Michael mit, um die nächste
Aufgabe zu erfüllen, die seine Mutter ihm stellte: nämlich seine Schwester aus
dem Bett zu holen.
    Inzwischen war es etwa 8:45 Uhr, und falls die beiden
Jungen noch vorhatten, zur Schule zu gehen, würden sie zu spät kommen. Das war
ihnen zweifellos klar, wie aus Michaels Vernehmung hervorgeht. Er gab an, dass
Reggie sich mit seiner Mutter gestritten habe, weil er sich um seine Schwester
kümmern sollte: »Reggie hat rumgemault, er würde zu spät zur Schule kommen,
aber das war ihr egal. Sie hat gesagt, er soll machen, dass er nach oben kommt,
und seine Schwester holen. Sie hat gesagt, er soll dem lieben Gott danken,
dass er nich so ist wie seine beiden Geschwister«, womit sie sicherlich auf die
Behinderungen der beiden anspielte. Bemerkungen wie diese von Laura Arnold
scheinen in ihrem Haushalt durchaus üblich gewesen zu sein.
    Trotz der Anweisung seiner
Mutter holte Reggie seine Schwester nicht aus dem Bett. Stattdessen sagte er
seiner Mutter, sie solle »sich selbst was Schlimmes tun« (so gab Michael es
wieder; Reggie drückte sich wohl drastischer aus), und dann verließen die
Jungen das Haus.
    Draußen begegneten sie Rudy
Arnold, der, während sie sich mit Laura in der Küche aufgehalten hatten, mit
seinem Auto angekommen war und »sich draußen rumgedrückt hat, als würde er
sich nich reintrauen«. Rudy und Reggie redeten kurz miteinander - ein Gespräch
der eher unangenehmen Natur, zumindest aus Reggies Sicht. Michael behauptete,
er habe hinterher gefragt, wer der Mann gewesen sei, in der Annahme, es
handelte sich um den »Freund von Reggies Mum«, woraufhin Reggie antwortete, »der
Vollidiot« sei sein Vater, und seine Worte bekräftigte, indem er sich den
Kasten für die Milchflaschen schnappte, der vor der Nachbartür stand, ihn auf
die Straße warf und zertrampelte.
    Michael sagte aus, er habe
sich an diesem Zerstörungsakt nicht beteiligt. Er erklärte, er habe zur Schule
gehen wollen, aber Reggie habe verkündet, er werde »schwänzen« und wolle
»endlich mal ein bisschen Spaß haben«. Es sei Reggies Idee gewesen, so Michael,
lan Barker mit einzubeziehen in all das, was nun folgen sollte.
     
    Im Alter von elf Jahren galt
lan Barker bereits als geschädigt, schwierig, gestört, borderline, zornig und
psychopathisch, je nachdem, wer ihn charakterisierte. Er war zu dem Zeitpunkt
das einzige Kind einer vierundzwanzigjährigen Mutter (wer sein Vater ist,
konnte nie geklärt werden), war jedoch in dem Glauben aufgewachsen, die junge
Frau sei seine große Schwester. Anscheinend hing er sehr an seiner Großmutter,
die er für seine Mutter hielt, während er die junge Frau, seine vermeintliche
Schwester, verabscheute.
    Mit neun Jahren hielt man ihn
für alt genug, um die Wahrheit zu erfahren. Allerdings nahm er diese Wahrheit
schlecht auf, vor allem da sie ihm verkündet wurde, kurz nachdem Tricia Barker
aufgefordert worden war, das Haus ihrer Mutter zu verlassen und ihren Sohn mitzunehmen.
Diese Entscheidung, so erklärte lans Großmutter später, habe sie getroffen, um
liebevolle Strenge walten zu lassen. »Ich war bereit, sie beide bei mir zu
behalten - Tricia und auch den Jungen -, solange das Mädchen arbeitete. Aber
sie hat jeden Job gleich wieder aufgegeben, weil sie lieber Partys feiern und
sich die Nächte um die Ohren schlagen wollte, und ich dachte mir, wenn sie den
Jungen allein großziehen müsste, würde sie vielleicht endlich zur Besinnung
kommen.«
    Doch sie kam nicht zur
Besinnung. Tricia Barker bekam eine städtische Wohnung zur Verfügung gestellt,
die allerdings so klein war, dass sie das Schlafzimmer mit ihrem Sohn teilen
musste. In diesem Zimmer wurde lan Zeuge, wie seine Mutter mit wechselnden
Partnern und mindestens vier Mal mit mehr als nur mit einem einzigen Mann Geschlechtsverkehr
hatte. Auffällig ist, dass lan während der Vernehmungen von Tricia nie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher