Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer
Autoren: T Korber
Vom Netzwerk:
hätte seine Lizenz verlieren können, das Unternehmen, alles. Stell dir allein das Gerede vor: Bestatter handelt mit Leichenteilen.«
    »Er hat nachts mit ihr darüber gesprochen.« Viktors Stimme war kaum zu hören.
    »Und sie weinte, ja. Daran musste ich auch denken«, stimmte Miriam zu. »Ich nehme an, sie hat es ihm gebeichtet.«
    »Was er wohl gesagt hat?«
    Miriam schaute nicht auf. »Ich denke, das hat er sich den Rest seines Lebens selbst gefragt: Was habe ich gesagt? War es zu viel? War es zu wenig? Welche Worte hätte ich stattdessen finden sollen?«
    »Und deshalb hat sie sich umgebracht?«, fragte Viktor tonlos.
    Miriam berührte über den Tisch vorsichtig seine Hand. Als er nicht reagierte, zog sie ihre Finger zurück. »Das werden wir nie genau wissen, oder?«, meinte sie.
    »Sie hat mir nie erzählt, dass sie einen Freund hat. Sie hat mir nie erzählt, dass sie Kummer hat.« Viktor starrte vor sich hin. Seine Stimme war leise geworden und zweifelnd. »Aber sie hat mir doch immer alles erzählt. Ich war ihr bester Freund.«
    »Du warst ihr kleiner Bruder. Man redet nicht mit kleinen Brüdern über die Liebe.«
    Viktor schüttelte den Kopf. »Sie hat über alles mit mir gesprochen.«
    Miriam schwieg und blies auf ihren lauwarmen Tee.
    »Wie sagtest du, hieß er?«
    »Heißt«, verbesserte Miriam. »Max, Max Mertens. Aber falls du mit ihm reden möchtest: Er ist in Polen in irgendeiner Hütte. Sein Vater hat ihn dort hingebracht, damit er erst mal zu sich kommt. Er war wohl im Knast oder in einem Entzug oder so was. Genau wollte sich Herr Mertens da nicht äußern.«
    »Thomas Mertens?«
    »Ja«, bestätigte sie, verwundert über seinen Ton. »Wieso?«
    »Willst du mich verarschen?«, gab er zurück. »Das ist der Kerl, der mich beinahe umgebracht hätte. Der Mörder vom Bulhaupt.«
    Sie riss die Augen auf. »Und bei dem war ich in der Wohnung!«
    Nach einer langen Pause, in der beide erst einmal wieder ihre Gedanken ordnen mussten, sagte Miriam: »Vielleicht war es ja Schicksal, dass die Leiche von Herrn Bulhaupt bei dir auf dem Tisch gelandet ist und du …«
    »Hör mir bloß auf mit dieser Schicksalsscheiße.« Er machte eine genervte Handbewegung. »An so was glaube ich ja gar nicht.«
    »Wie würdest du es dann nennen?«, fragte sie zurück.
    »Einen Zufall. Einen riesigen, gottverdammt dämlichen, völlig überflüssigen Zufall.«
    Sie zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck. »Wenn du es so formulieren willst.«
    Dann stellte sie ihre Tasse ab und schob ihm sanft das Einmachglas zu. »Du solltest dich um das hier kümmern«, sagte sie.
    Viktor starrte lange vor sich hin. Endlich fragte er: »Was mache ich damit?«
    »Beerdigen«, sagte Miriam.
    Viktor nickte. Es war Zeit, die Toten endgültig zur Ruhe zu betten.
    »Verehrte Trauergemeinde, wir sind heute zusammengekommen, um Abschied zu nehmen von Doktor Rainer Bulhaupt, der gewaltsam aus seinem Leben gerissen wurde. An anderer Stelle wird darüber befunden werden, welches Konglomerat aus menschlichen Leidenschaften, Wut und Gier dazu führte, dass er sterben musste. Wir wollen uns heute seines Lebens erinnern und das mit uns nehmen, was es an Gutem, Bewahrenswertem darin gab. Wir wollen mitwirken an seinem lebendigen Andenken.«
    Viktor ließ den Blick über die Menge schweifen. Da saß die Ehefrau, mit ihrem Sohn an der Seite, der sich an seine Mutter schmiegte wie ein Kind und zugleich provozierend um sich schauend Kaugummi kaute. Viktor hoffte, er würde nicht laut damit herausplatzen, dass sie sich in einem Kellerschrank kennengelernt hatten.
    Die Frau neben ihr mit der verschlossenen Miene musste die unbekannte Halbschwester des Toten sein, jene Ute, die nichts gewollt und nun alles bekommen hatte. Mit abweisender Miene verbarg sie sich unter einem Hut, der ihre restliche Garderobe überforderte.
    Weiter hinten saß Professor Hoffmann, seine Nichte neben sich, die fragend die Brauen hob. Viktor nickte ihr kaum merklich zu und lenkte seinen Blick mehrmals auf den Sarg. Miriam riss die Augen auf und nickte dann zurück. Bulhaupt würde also mit drei Händen begraben werden.
    Viktor sprach weiter wie im Schlaf, er kannte jedes Wort auswendig und übergab ohne Zwischenfall an die Kesselring, die in einem brandroten Kostüm mit schwarzen Rüschen vortrat, um nach kurzer Einleitung ein paar Haikus zu sprechen, die dankenswerterweise im Rahmen blieben und lediglich die Verbindung vom welkenden Blumenschmuck zur Vergänglichkeit des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher