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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Anthologie
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Das Filmbett
    In jenen sagenhaften Zeiten, da die Filmproduktion noch von der geheimnisvollen Aura einer Wunschtraumweit umgeben war und eine in drei Schichten pausenlos arbeitende, vollbeschäftigte Großindustrie darstellte, galten die Filmrequisiteure als die Heinzelmännchen dieser magischen Märchenwelt. Sie zauberten alles herbei, was die unersättliche Illusionsfabrik brauchte. Sie machten das Unmögliche möglich und auch Wunder dauerten nicht wesentlich länger.
    Die gewitzten, ausgekochten und durch keine Anforderung zu erschütternden Filmrequisiteure hatten sich in einem internationalen Interessenverband zum Zwecke gegenseitiger Hilfeleistung zusammengeschlossen und das Kommunikationssystem funktionierte besser als der intereuropäische Blumendienst der Fleurop.
    Von Filmreisen im Ausland kam man mit einer Überfracht zurück, die den Zöllnern an den Douanen nur Kopfschütteln verursachte und ohne Versteuerung passieren durfte. Denn es schien nur Tinnef zu sein, was die Verbandsmitglieder schließlich in einem gemeinsamen Depot ablieferten, das ein ausgedienter Berufsveteran verwaltete. Wertlose Bündel und Konvolute von Sperrmüll und lästigem Zivilisationsunrat. Was mußte da alles katalogisiert und aufgelistet werden? Prospekte und Programme, Meldezettel und Hotelplaketten, alle Arten von Normblättern, unausgefüllte Postanweisungen, Kassenzettel, Telegrammformulare, Behördenanträge, Steuerbescheide, Hotelbriefbogen und Kuverts, Straßen-, Eisen-und Seilbahnfahrkarten aus aller Herren Länder, Vorder- und Rückseiten fremdsprachiger Zeitungen, Speisekarten berühmter drei-Sterne-Restaurants, Postkarten, Theater- und Kinokarten, Entreebilletts des Wiener Riesenrades, des Kopenhagener Tivoli und des Pariser Wachsfigurenkabinettes, Plakate von spanischen Corridas und des Russischen Ballettes von Monte Carlo, Briefmarken, Lebensmittelkarten aus dem ersten Weltkrieg, Notgeld aus der deutschen Inflation, Kleingeld, außer Kurs gesetzte Banknoten und entwertete Wertpapiere - alles wurde sorgsam sortiert und konnte irgendeinmal gebraucht werden.
    Viele Regisseure versuchten ihre Requisiteure durch ausgefallene Forderungen in Verlegenheit zu bringen, keinem gelang es. Im richtigen Augenblick war das Gewünschte zur Stelle. Die deutschen Filmrequisiteure, die das Wörtchen »unmöglich« nicht in ihrem Wortschatz hatten, waren Meister im »organisieren«, d.h. im Beschaffen von Mangelware, in der Erfüllung von Sonderwünschen und in der Stillung von Bedürfnissen. Ihrer Tüchtigkeit konnte keine behördliche Verordnung, kein Verbot, kein zwangsbedingter Engpaß eine Einschränkung auferlegen. Dies bewies sich vor allem in den schweren Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Die Filmrequisiteure waren Beherrscher des legalen und illegalen Schwarzen Marktes und Inhaber von Bann- und Schmuggelware.
    Sie waren wie alle Sammler Individualisten, Käuze, Eigenbrötler, seltsame Geschöpfe Gottes - aber durchaus von dieser Welt und den materiellen Freuden und Dingen des Lebens nicht unzugänglich. Filmrequisiteure besaßen eher ihr eigenes Haus in Neubabelsberg oder Geiselgasteig, als erfolgreiche Filmstars, denn sie hatten »Beziehungen« zu zwangsbewirtschaftetem Baumaterial, zu Kupfer, Messing, Glas und Stahl. Sie hatten die Lebensmittelkarten von Schwerstarbeitern, Kleiderkarten und Bezugsscheine. Goebbels empörte sich in einer geifernden Rede vor den »Filmschaffenden« über den Mißbrauch der Privilegien seiner Schützlinge bei Auslandsreisen, wäre doch unlängst erst ein Aufnahmeteam aus Ungarn mit einer Wagenladung von Präservativen zurückgekommen, was Olga Tschechowa veranlaßte, in der ersten Reihe der Versammlung herumzublicken und halblaut zu fragen, wo denn - zum Teufel - diese Mangelware geblieben sei.
    Die Filmrequisiteure vermieteten den Filmfirmen viele Gegenstände aus eigenem Besitz, natürlich gegen entsprechende Leihgebühren.
    So hatte ein besonders schlitzohriger Requisiteur auf einer Filmexpedition bei einer Versteigerung in Paris ein Prunkbett aus der Belle epoque erworben, das angeblich der berühmten französischen Schauspielerin Sarah Bernhardt gehört haben sollte, was er durch eine Expertise zu belegen suchte, die -echt oder unecht - für sich allein ein kostbares Requisit darstellte und, handschriftlich geschrieben, gestempelt und verknittert, recht glaubwürdig erschien.
    Dieses Bett, in dem die Bernhardt ihre Liebhaber empfangen haben sollte und in dem sie sogar auf der Bühne als
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