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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord
Autoren: Karen Ranney
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Vorbereitungen für die Nacht zu treffen. Da der Turm den gastlichsten Eindruck von Castle Gloom machte, statteten Brendan und Micah zwei der Zimmer mit Pritschen aus. Zu Marys Überraschung beschlossen Micah und Hester jedoch, im Haupthaus zu nächtigen.
    »Wir werden es uns in einer Ecke der Großen Halle gemütlich machen«, sagte Hester mit einem Blick zu ihrem Ehemann, der Mary neidisch werden ließ. Es war ein Blick voller Zuneigung – und mit der Andeutung eines Versprechens.
    »Hamish bewohnt das oberste Geschoss«, sagte Brendan, als sie die Küche verließen. »Wo wollt Ihr Euch heimisch machen, Mary? Im ersten oder zweiten?«
    »Im ersten«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. Je weniger Stufen sie zu erklimmen hätte, umso besser.
    Er nickte.
    »Verlässt er den Turm nie?« Sie schaute nach oben. Er hatte sich noch kein einziges Mal sehen lassen. Brendan war mit einem Tablett zu ihm hinaufgegangen und ohne einen Kommentar zurückgekehrt.
    »Hamish fühlt sich nicht wohl in Gesellschaft von Fremden«, erklärte er ihr.
    »War es schon immer so?«
    Brendan schwieg. Zuweilen konnte er ausgesprochen irritierend sein. Manchmal erzählte er mehr, als man wissen wollte, und dann wieder nicht genug.
    »Wenn Ihr möchtet, dass ich ihm helfe, muss ich schon etwas über ihn erfahren.«
    »Wisst Ihr etwas über Indien?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Lediglich, wo es liegt – und das auch nur ungefähr.«
    »Seit dreißig Jahren stößt die East India Company immer wieder ins Landesinnere vor, aber nicht immer wird sie mit offenen Armen empfangen.« Seine Miene verdüsterte sich. »Viele würden alles dafür geben, wenn die Engländer aus Indien abzögen, darunter auch die Atavasi, die Ureinwohner. Seit fünf Jahren rebellieren sie gegen das Eindringen und die Vorherrschaft der Briten. Sie kaperten Hamishs Schiff und töteten seine Mannschaft. Er war ein Jahr ihr Gefangener.«
    »Ein Jahr?« Mary versagte fast die Stimme.
    Sie hatten den Turm erreicht, und Brendan blieb vor dem Eingang stehen. »Vor ein paar Monaten gelang es ihm und zwei anderen Männer – von den Atavasi gefangen genommene Engländer –, ihre Wächter zu überwältigen und über Land zu fliehen. Hamish war der Einzige, der das Ziel erreichte.«
    Brendan legte die Hand an die Tür, machte jedoch keine Anstalten, sie zu öffnen. »Wir hatten alle Hoffnung aufgegeben, ihn lebend wiederzusehen, als der Aufstand schließlich niedergeschlagen wurde.« Er wandte sich Mary zu. »Ich habe Hamish zuerst gar nicht wiedererkannt. Sein Gesicht ist zwar noch dasselbe, seine Augen haben noch dieselbe Farbe, er hat noch die Narbe am Knie von seinem Sturz vom Apfelbaum als Junge und den dünnen weißen Strich, der von einer MacRae-Blutsbrüderschaft zeugt – aber sein Wesen ist nicht dasselbe. Und er redet anders.«
    »Vielleicht gibt er sich die Schuld am Tod seiner Mannschaft. Was allerdings nicht erklärt, weshalb er wie ein Eremit lebt.«
    Brendan machte die Tür auf und ließ Mary den Vortritt. Als er den Turm betrat, schaute er nach oben, als fühlte er sich ob seiner Bemerkungen von dem Mann getadelt, dem sie gegolten hatten.
    Er zündete eine Kerze an und bohrte seinen Blick förmlich in Marys, als er etwas sagte, was sie bis ins Mark erschütterte.
    »Er wurde gefoltert.«
    »Gefoltert?«, wiederholte sie mit aufgerissenen Augen. Sie hatte nicht laut gesprochen, aber die steinernen Wände warfen das Wort zurück wie einen Schrei. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken, als sie die Wendeltreppe hinaufschaute.
    »Er braucht Euch, Engel«, sagte Brendan.
    Ich bin nicht Euer Engel, wollte sie aufbrausen, aber als sie sein Grinsen sah, konnte sie nicht umhin, ihm zu vergeben. Und sie konnte auch nicht umhin, ihn zu bewundern. Er war entschlossen, seinem Bruder zu helfen, obwohl dieser sich dagegen wehrte. Solch brüderliche Ergebenheit verdiente Anerkennung.
    Doch trotz seines bezaubernden Lächelns, seiner fröhlichen, haselnussbraunen Augen und seines guten Charakters war Brendan nicht der MacRae, dem ihr Interesse galt.
    Er wurde gefoltert.
    Wieder schaute sie nach oben und fröstelte.

Kapitel 4
    B rendan nahm ihre Reisetasche und eine Kerze und ging voran. Mary folgte ihm mit ihrem Arztkoffer in der linken Hand, wobei sie sich mit der rechten an der Wand abstützte. Wenn sie nicht nach links oder nach oben schaute, war sie gegen das Schwindelgefühl gefeit, das sie stets auf Treppen befiel.
    Aber sie hatte nicht nur Angst vor
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