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Bis du erwachst

Bis du erwachst

Titel: Bis du erwachst
Autoren: Lola Jaye
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Prolog
    Ich hatte Mühe, mein Mittagessen bei mir zu behalten, während ich in der Tür stand und zusah, wie der Mann, den ich doch liebte, mit einer anderen Frau Sex hatte.
    In mir brodelte ein ganzer Kessel voller Gefühle, bis ich begriff, dass das, was ich da sah,
wirklich
passierte.
Mir
passierte. Mit meinem Freund und einer Frau, der ich vertraut hatte.
    Wenn es nur möglich gewesen wäre, die Zeit zurückzudrehen, zwanzig Minuten vielleicht. Da hatte ich im Café auf der anderen Straßenseite gesessen, mir ein Riesenstück Schokoladenkuchen schmecken lassen und vor mich hingeträumt. Ehrlich gesagt, hatte ich fast den ganzen Tag vor mich hingeträumt – wenn ich nicht gerade darüber nachgedacht hatte, was sich in meinem Leben alles grundlegend ändern musste.
    Hier stand ich nun und schaute der oscarreifen Pornodarstellung meines Freundes zu, und all meine Zukunftspläne lösten sich in Hoffnungslosigkeit auf.
    Ich tastete in meiner Gesäßtasche nach meinem Notizbuch und dem gelben Puschelstift, aber ich zitterte zu sehr. Mir entglitt die halbleere Dose Ingwerbier, die ich noch in der Hand hielt und völlig vergessen hatte, und der Inhalt ergosssich über den Holzfußboden. Im selben Moment hielten die beiden inne und fuhren zu mir herum, wie das Mädchen in
Der Exorzist
.
    «Lena?», keuchte Justin. Er klang vollkommen fremd, nicht wie der Mann, mit dem ich die letzten beiden Jahre verbracht hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich brachte keinen Ton heraus. Ich wusste nur, dass ich von hier fortmusste, so weit weg wie möglich. Etwas so Schreckliches hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
    Rückwärts, mit weichen Knien bewegte ich mich aus der Tür. Ich streckte die Hand zum Geländer aus, um mich festzuhalten.
«Lena!»
, rief Justin mir kläglich nach.
    Meine Beine verwandelten sich in Pudding. Ich musste hier raus. Um mich wieder zu sammeln. Um nachzudenken. Mein Hirn produzierte nur noch Unzusammenhängendes und Albernes, und mein Körper war zu betäubt, um zu reagieren. In Zeitlupe bewegte ich mich auf die Treppe zu. Ganz langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen.
    Ich musste nachdenken.
    Zweiter Schritt.
    Ich musste allein sein.
    Dritter Schritt.
    Unter anderen Umständen wäre mir die Glitzersandalette, die ganz gewiss nicht mir gehörte, sicher aufgefallen. Sie lag auf der vierten Stufe und funkelte im Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel. Ich hätte sie weggekickt oder wäre ihr zumindest ausgewichen. Aber in meiner augenblicklichen Verfassung hätte ich nicht einmal einen Elefanten im Spitzentutu bemerkt. Ich war nur noch klopfendes Herz, tropfende Nase und Tränen. Und so hatte ich keine Chance gegen dieSandalette, die mich am linken Fuß packte und die Treppe hinunterwarf. Mein Mageninhalt wirbelte in mir herum wie in einer Waschmaschine: Porridge, Bananenchips, Litschis, das Riesenstück Schokoladenkuchen – alles klumpte sich zu einer einzigen unverdaulichen Masse zusammen.
    Schließlich landete ich am Fuß der Treppe in einer Stellung, die jeden fortgeschrittenen Yogaschüler hätte vor Neid erblassen lassen. Und dann wartete ich. Meine Gedanken zogen sich an einen Ort zurück, an dem mich nichts mehr erreichte.
    Ich wartete darauf, dass der Schmerz einsetzte.
    Ich war bereit.
    Meine Lider schlossen sich mit einem langsamen Flackern, wie bei einem schlecht funktionierenden alten Fernseher. Ich wusste, dass er kam. Er kam   … Ja   … Jetzt war er beinahe da   …
    Der Schmerz.
    So viel Schmerz.
    Und dann Dunkelheit.

1
    Cara würde sich immer daran erinnern, wo sie gewesen war und was sie gerade getan hatte, als sie das mit Lena erfuhr.
    Sie war da gewesen, wo sie dienstagabends immer war – sie hatte irgendeinen blöden Gast bedient. Diesmal behauptete der Typ, sie habe ihm aus Versehen auf eine Zehnpfundnote herausgegeben, während er ihr aber zwanzig gegeben hätte.
    «Es war ein Zehner, glauben Sie mir», sagte sie ruhig und stellte sich dabei vor, wie sie ihm mit besagter Zehnpfundnote das Maul stopfte.
    «Ich schlage vor, dass Sie mal Ihre Kasse aufmachen und nachsehen, welchen Schein Sie zuletzt hineingelegt haben, Miss», entgegnete er wichtigtuerisch.
    Cara konnte es sich nicht verkneifen, mit den Augen zu rollen, egal, ob er es sah oder nicht. Ade redete ständig davon, dass der Kunde immer recht habe, aber der Spruch war ihr schon immer gewaltig auf die Nerven gegangen. Das hier war ihre Bar (na
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