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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord
Autoren: Karen Ranney
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beikommen – dafür waren Beispiele vonnöten. In Inverness wäre es ein Leichtes gewesen, solche beizubringen, denn dort gab es scharenweise von ihr Geheilte und genügend Berichte über ihre Erfolge, um einen Kranken Vertrauen in ihre Fähigkeiten gewinnen zu lassen. Aber was sollte Hamish MacRae an diesem entlegenen Ort dazu bringen?
    Mary stieß eine Eichentür auf, die sich erstaunlich leicht und geräuschlos öffnete. Hinter einem kleinen Vorraum lag ein großer, überraschend heller Raum. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um die hoch oben in der Wand sitzenden Fenster sehen zu können. Als billige der Himmel ihre Neugier, brach plötzlich die Sonne durch die Wolken und tauchte den Raum in noch helleres Licht.
    Er war völlig leer, aber in ihrer Phantasie sah sie die Schilde an den Wänden und die Banner von der Decke herabhängen. Dieser Ort atmete die Geschichte seiner Vergangenheit, auch wenn niemand mehr da war, der darüber hätte berichten können.
    Die Holztür war an verschiedenen Stellen beschädigt, als hätte jemand aus Langeweile mit einem Messer darin herumgebohrt. Der Steinboden war narbig und von ungezählten beschuhten Füßen geglättet. Doch bei aller Kahlheit hatte der Saal nichts Trostloses. Stattdessen kam es Mary vor, als wartete er – wie ein lebendiges Wesen, das auf geheimnisvolle Weise wusste, dass seine Zeit noch nicht endgültig vorüber war.
    Sie drehte sich um und ging durch den Vorraum zu einer niedrigen Tür, die in die Wand zu ihrer Linken eingelassen war. Der Raum dahinter war dunkel, und sie sah sich von der Schwelle aus darin um. Die an einer Wand gestapelten Pritschen ließen vermuten, dass er als Schlafquartier benutzt worden war. Eine Gürtelschnalle und ein Pulverhorn auf dem Boden neben der Tür veranlassten Mary zu der Überlegung, ob das Castle vielleicht als Garnison gedient hatte.
    Jenseits der Großen Halle befand sich ein weiterer Raum. Abgesehen von einem langen Tisch und Regalen an den Wänden war er völlig leer. Kein Messer und keine Schüssel, kein Krug, kein Eimer und kein Butterfass war in der Küche zurückgelassen worden. Das deutete auf einen Auszug mit Bedacht hin.
    Wie in der Großen Halle erhellten hoch oben in den weißgetünchten Wänden sitzende Fenster den Raum. Sonnenstrahlen zeichneten ein Kreuzmuster auf den Boden. Auch die Gewölbedecke war weiß – bis auf die von jahrelangen Kochfeuern dunkle Stelle über dem Bogen des riesigen Kamins war hier alles weiß. Es gab keine Hinweise auf den Verbleib der Bewohner von Castle Gloom, aber Mary hatte ein Problem gelöst: Wenn sie keine andere Möglichkeit fand, würde sie sich in der Küche einrichten.
    Falls ihr gestattet würde zu bleiben.
     
    Charles Talbot konnte nicht glauben, dass Mary ihn mit dem Geschäft alleingelassen hatte. Noch Stunden, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, wartete er darauf, dass sie zurückkäme. Als sie es nicht tat, begriff er schließlich, dass sie einem Fremden offenbar mehr Bedeutung zumaß als ihm.
    Seine Überraschung verwandelte sich in Wut.
    Heute hatte er die Auftragsarbeit für eine der wohlhabenden, älteren Ladys von Inverness fertiggestellt und die Terrine, da er das Bedürfnis hatte, für eine kleine Weile aus dem Laden herauszukommen, persönlich abgeliefert. Als er zurückkam, standen zwei Kunden vor der Tür. Beide waren ob des Wartens verstimmt und wollten gleichzeitig bedient werden. Hätte Mary sich nicht einfach aus dem Staub gemacht, wäre diese Situation gar nicht entstanden.
    Es hätte sich für Mary eher geziemt, im Geschäft Kunden zu begrüßen, als irgendwo in Inverness oder – wie jetzt – sogar außerhalb herumzuspazieren. Sie wollte einfach nicht einsehen, dass es sinnvoller war, diejenigen zu hofieren, die sich ihre Erzeugnisse leisten konnten, als Leute zu heilen zu versuchen, die die Behandlung nicht bezahlen konnten. Er hatte sich bemüht, es ihr zu erklären, aber sie lachte nur, als hätte er einen Scherz gemacht.
    Sie war zwei Jahre jünger als Charles, aber schon mehr als zehn Jahre verheiratet gewesen. Sobald sie seine Frau wäre, würde sie lernen müssen, dass er nicht so leicht um den Finger zu wickeln war wie Gordon.
    Nach dessen Tod – er war doppelt so alt gewesen wie Mary – hatte Charles ihr gestattet, ein Jahr zu trauern, wie es sich für eine gute Ehefrau gehörte. Zwölf lange Monate hatte er seine Gefühle vor ihr verborgen – und jetzt war sie ohne Rücksicht auf ihn oder ihren Ruf
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