Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde
Autoren: Glen Cook
Vom Netzwerk:
Ochsen hätte rösten können. Ein anderer Bursche mit einem Stock im Kreuz warf Holzscheite von einem riesigen Stapel ins Feuer. Er sah mich an und blickte dann auf den Alten hinter dem Schreibtisch. Der General nickte, und der Brandstifter verschwand. Vermutlich vertrieben er und Dellwood sich die Zeit mit ein paar kleinen militärischen Drills.
    Nachdem ich mich umgesehen hatte, steuerte ich auf den Mittelpunkt des Zimmers zu.
    Dann wurde mir klar, warum der Schwarze Peter mißtrauisch war. Von General Stantnor war nicht mehr viel übrig. Seinem Porträt unten in der Eingangshalle sah er überhaupt nicht mehr ähnlich. Er konnte kaum mehr als eine vertrocknete Mumie wiegen, auch wenn ich ihn unter den ganzen Steppdecken kaum sah. Vor zehn Jahren war er noch ungefähr so groß gewesen wie ich und hatte dreißig Pfund mehr auf den Rippen gehabt.
    Seine Haut war gelblich und fast durchscheinend. Seine Pupillen waren milchig. Grauer Star. Sein Haar fiel ihm in großen Büscheln aus. Und die wenigen Borsten, die ihm noch geblieben waren, hatten eine sehr ungesunde blaugraue Färbung. Selbst seine Leberflecken waren blaß. Seine Lippen waren zwei giftig graublaue Striche in dem farblosen Gesicht.
    Ich wußte nicht, wie gut er durch diese Flecken in seinen Augen sehen konnte, aber sein Blick war eindringlich und schwankte nicht.
    »Mike Sexton, Sir. Sergeant Peters hat mich gebeten, mich mit Ihnen zu treffen.«
    »Holen Sie sich einen Stuhl und setzen Sie sich. Ich blicke nicht gern auf, wenn ich mit jemandem spreche.« Seine Stimme klang kraftvoll, obwohl ich nicht wußte, woher er die Energie nahm. Ich hatte eigentlich erwartet, daß er wie ein Grabräuber flüsterte, und setzte mich ihm gegenüber hin. »Wir dürften im Augenblick kaum belauscht werden, Mr. Garrett. Ja, ich weiß, wer Sie sind. Peters hat mir einen vollständigen Bericht über Sie gegeben, bevor ich zugestimmt habe, Sie herzuholen.« Er blickte mich an, als könnte er den Grauen Star mit reiner Willenskraft besiegen. »Wir werden Ihr Inkognito als Mike Sexton aufrechterhalten. Vorausgesetzt, wir können uns jetzt einigen.«
    Ich saß so dicht bei ihm, daß ich ihn riechen konnte. Es war kein guter Geruch. Es wunderte mich, daß nicht der ganze Raum stank. Sie mußten ihn von irgendwo anders hereingerollt haben.
    »Peters hat nicht gesagt, was Sie wollen, Sir. Er hat nur einen Gefallen eingefordert, damit ich hier herauskam.« Ich warf einen Blick auf den Kamin. Er müßte gleich so heiß sein, daß sie Brot backen konnten.
    »Ich brauche große Hitze, damit mein Körper funktioniert, Mr. Garrett. Entschuldigen Sie diese Unbequemlichkeit. Werde versuchen, es kurz zu machen. Ich bin ein bißchen wie eine Donnerechse. Die erzeugen auch keine eigene Körperwärme.«
    Ich wartete, daß er weiterredete. Und schwitzte dabei nicht schlecht.
    »Peters hat mir sein Wort gegeben, daß Sie ein guter Marine waren.« Peters Wort galt hier zweifellos eine Menge. »Er hat sich für Ihren Charakter verbürgt. Aber Menschen ändern sich. Was ist aus Ihnen geworden?«
    »Ein freiberuflicher Schläger statt eines einberufenen, General. Und so etwas brauchen Sie ja wohl auch, sonst wäre ich nicht hier.«
    Er gab ein Geräusch von sich, das so eben noch als Lachen durchgehen konnte. »Aha. Ich habe schon gehört, daß Sie eine ziemlich scharfe Zunge haben, Mr. Garrett. Eigentlich sollte ich ungeduldig sein, nicht Sie. Meine Zeit läuft schnell ab. Ja. Peters hat sich auch für Sie als Zivilist verbürgt. In gewissen Kreisen hält man Sie für verläßlich, wenn auch für dickköpfig und geneigt, Ihre Aufträge nach Ihrem eigenen Gutdünken zu erledigen. Man sagt, Sie hätten eine sentimentale Ader. Das dürfte hier keine Rolle spielen. Und es heißt, Sie hätten eine Schwäche für Frauen. Meine Tochter ist so schwierig, daß sie die Mühe nicht wert ist. Außerdem behauptet man, Sie hätten Vorurteile gegen die Fehler und kleinen Sünden meiner Gesellschaftsschicht.«
    Ob er wohl auch wußte, wie oft ich meine Unterwäsche wechselte? Wozu brauchte er einen Schnüffler? Sollte er doch den engagieren, der Erkundigungen über mich eingezogen hatte.
    Wieder dieses erbärmliche Lachen. »Ich kann erraten, was Sie jetzt denken. Aber das alles ist öffentlich bekannt. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.« Dann verzerrte er sein Gesicht zu dem schwachen Abklatsch eines Lächelns. »Sie haben im Laufe der Jahre eine Menge erreicht, worauf Sie stolz sein können, Mr. Garrett. Aber Sie sind
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher