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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde
Autoren: Glen Cook
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geradezu spüren konnte.
    Ich würde sie im Auge behalten.
    Es sei denn, sie war ein Geist. Sie war vollkommen lautlos verschwunden. Was soll’s? Sie würde mich auf Trab halten, bis ich einen genaueren Blick auf sie geworfen hatte.
    Ob die Bude hier verflucht war? Unheimlich war sie jedenfalls, auf eine kalte Weise … Dann wurde mir klar, daß es an mir selbst lag. Andere merkten es möglicherweise gar nicht. Ich sah mich um und konnte fast das Klirren von Stahl und das Stöhnen derjenigen hören, die ihr Leben ließen, damit die Stantnors sich ihre Siegestrophäen an die Wand hängen konnten. Es waren meine eigenen Spukgespenster, denen der Raum nur als Spiegel diente.
    Ich versuchte, die finstere Stimmung zu vertreiben. Ein solcher Ort macht einen trübsinnig.
    Der Bursche, der die Tür geöffnet hatte, marschierte herein, nachdem das Mädchen verschwunden war. Seine Absätze klackten auf dem Marmor. Zwei Meter vor mir blieb er zackig stehen. Hatte nichts verlernt. Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er maß knapp eins achtzig, wog etwa hundertsiebzig Pfund und war Anfang fünfzig, sah jedoch jünger aus. Er hatte welliges, schwarzes Haar, das er mit Fett geglättet hatte, ohne allerdings seiner Locken ganz Herr werden zu können. Wenn er graue Haare hatte, verbarg er sie perfekt. Sein Haar wirkte noch so voll wie bei einem Zwanzigjährigen. Der Blick seiner kleinen, kalten Knopfaugen hätte Eis zum Schmelzen gebracht. Er würde einen umlegen, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, ob er jemanden zum Waisen machte.
    »Der General empfängt Sie jetzt, Sir.« Er drehte sich um und marschierte voraus.
    Ich folgte ihm und ertappte mich dabei, daß ich im Gleichschritt ging. Ich wechselte den Schritt, doch nach einer Minute war ich wieder drin. Ich gab’s auf. Sie hatten es mir gründlich eingetrichtert. Der Körper erinnerte sich und achtete nicht auf den Einspruch des Geistes.
    »Haben Sie einen Namen?« erkundigte ich mich.
    »Dellwood, Sir.«
    »Was waren Sie vor Ihrer Ausmusterung?«
    »Ich gehörte zum Stab des Generals, Sir.«
    Das bedeutete gar nichts. »Berufssoldat?« Blöde Frage, Garrett. Ich hätte Haus und Hof darauf verwettet, daß ich als einziger hier kein Berufssoldat gewesen war – bis auf das Mädchen … vielleicht. Der General würde sich nicht mit minderwertigen Menschen wie Zivilisten umgeben.
    »Zweiunddreißig Jahre, Sir.« Er stellte selbst keine Fragen. Weder Smalltalk noch Klatschgeschichten? Nein. Es interessierte ihn nicht. Ich war einer von denen.
    »Vielleicht hätte ich lieber den Lieferanteneingang benutzen sollen.«
    Er knurrte.
    »Pech.« Der General verdiente meinen Respekt für das, was er erreicht hatte, nicht für das, als was er geboren worden war.
    Dellwood war zwanzig Jahre älter als ich, aber ich schnaufte, als wir im vierten Stock ankamen. Einige kluge Sprüche kamen mir in den Sinn, aber ich hatte nicht genug Puste, um sie Dellwood mitzuteilen. Er warf mir einen undurchdringlichen Blick zu, hinter dem sich vermutlich seine Verachtung für uns verweichlichte Zivilisten verbarg. Ich keuchte noch ein bißchen und sagte dann, um ihn abzulenken: »Eine Frau hat mich beobachtet, während ich gewartet habe. Sie war scheu wie ein  Mäuschen.«
    »Das wird Miss Jennifer gewesen sein, Sir. Die Tochter des Generals.« Er sah aus, als bereue er, daß er sich soviel Informationen hatte entreißen lassen, und preßte die Lippen zusammen. Er hätte einem nicht gesagt, was man seiner Meinung nach nicht zu wissen brauchte, selbst wenn man ihm die Zehen ankokelte. Wenn alle Angestellten vom selben Schlag waren, wozu brauchte Peters mich dann? Die konnten doch mit allem fertig werden.
    Dellwood marschierte zu einer Eichentür, die den halben Korridor des Westflügels überspannte. Er schob sie auf und verkündete: »Mr. Mike Sexton, Sir.«
    Die Hitzewelle traf mich wie ein Schlag, als ich an Dellwood vorbei in den Raum trat.
    Ich war ohne jedes Vorurteil hergekommen, trotzdem war ich überrascht. General Stantnor liebte es offenbar asketisch. Bis auf die Größe des Raums deutete nichts darauf hin, daß der Mann bis zur Hüfte in Gold waten mußte.
    Es gab keine Teppiche, nur ein paar harte Holzstühle, die üblichen Militaria und zwei Schreibtische, die sich gegenüberstanden. Der größere war vermutlich für den General und der kleinere für seinen Schreiberling. Das Zimmer wirkte fast wie ein Mausoleum. Die Hitze strahlte eine riesige Feuerstelle ab, auf der man einen
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