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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde
Autoren: Glen Cook
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1. Kapitel
     
    Immer, wenn man glaubt, man hat sein Leben im Griff und alles läuft rund, kommt das launische Schicksal und tritt einen in den Dreck. Es nimmt sich nicht mal die Zeit für eine kurze Entschuldigung, nicht dran zu denken. So was passiert einem ständig, wenn man Garrett heißt. Man könnte ein Buch darüber schreiben.
    Ich bin Garrett. Anfang dreißig, etwas über eins achtzig, braune Haare und hundert Kilo Kampfgewicht. Das übrigens mehr zu werden droht, weil meine Lieblingsnahrung Bier ist. Meine Laune wird unterschiedlich beschrieben und schwankt zwischen griesgrämig, stinkig, sarkastisch und zynisch. Alles mit Zischlaut paßt. Ich wäre hinterfotzig und schleimig, behaupten meine Feinde. Dabei bin ich eigentlich ein richtig Süßer. Wirklich. Ein großer, kuschliger Teddybär mit einem entzückenden Lächeln und seelenvollem Blick.
    Ihr dürft nicht alles glauben, was ihr hört. Ich bin einfach nur ein Realist, der mal wieder an einem chronischen Geschwür leidet, das sich romantischer Pragmatismus nennt. Früher war ich viel romantischer. Dann riß ich meine fünf Jahre bei den Marines ab. Die hätten das empfindsame Flämmchen beinah für immer ausgepustet.
    Behaltet das im Sinn, diese Zeit im Corps. Ohne sie wäre der ganze folgende Mist nicht passiert.
    Fragt ihr Morpheus, würde der sagen, ich bin stinkfaul. Das ist eine ganz gemeine Verleumdung aus dem Mund einer Type, die einfach schon vom Charakter her keine fünf Minuten still auf ihrem Hintern sitzen kann. Ich bin nicht faul. Ich arbeite nur nicht gern, wenn ich kein Geld brauche. Brauche ich welches, betätige ich mich als Ermittler. Was bedeutet, daß ich mich die meiste Zeit mit Leuten abgeben muß, die Sie nicht zum Abendessen einladen würden. Kidnapper und Erpresser. Ganoven, Diebe und Mörder.
    Na ja, eben mit all den Persönlichkeiten, zu denen Kinder sich auswachsen.
    Es ist kein tolles Leben. Bestimmt komme ich damit nicht in die Geschichtsbücher. Aber ich bin mein eigener Boß, bestimme meine Arbeitszeit selbst und kann mir meine Jobs aussuchen. So umgehe ich eine Menge Haken. Und mußte bisher nicht allzu viele Kompromisse mit meinem Gewissen schließen.
    Wenn ich kein Geld brauche und nicht arbeiten will, heißt das, daß ich erst einmal durch das Guckloch blicke, wenn jemand an die Tür meines Hauses in der Macunado-Street klopft. Sieht der Besucher wie ein potentieller Klient aus, mache ich einfach nicht auf.
     
    Es war ein falscher Frühlingstag früh im Jahr. Eigentlich sollte draußen Winter herrschen, aber irgend jemand hatte gezwinkert. Der Schnee war geschmolzen. Nach sechs Tagen frühlingshafter Temperaturen hatten die Bäume sich dazu verlocken lassen zu knospen. Das sollte ihnen noch leid tun.
    Ich hatte seit dem Tauwetter keinen Fuß vor die Tür gesetzt und hockte hinter meinem Schreibtisch, wo ich meine Provision für ein paar kleinere Jobs ausrechnete, die ich weitergegeben hatte. Gerade überlegte ich, ob ich einen Spaziergang machen sollte, bevor mir die Decke auf den Kopf fiel, als jemand an die Haustür klopfte.
    Heute war Deans freier Tag. Also mußte ich meinen Hintern selbst bewegen. Ich ging zur Tür und spähte durch das Guckloch. Ich erschrak. Und ich wurde verarscht!
    Wenn es richtig dicke kommt, trägt der Ärger meistens einen Rock und sieht aus wie jemand aus deinen heißesten Träumen. Sollte das zu subtil sein, ich meine es so: Ich habe eine Schwäche für reife Früchtchen. Aber ich lerne noch. Gib mir tausend Jahre, dann …
    Das hier allerdings war kein Früchtchen. Sondern ein Kerl, den ich vor langer Zeit einmal gekannt habe. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn jemals wiederzusehen. Als wir damals auseinandergingen, hatte ich sogar gehofft, ihn niemals mehr vor die Gucker zu bekommen. Allerdings schien es ihm da draußen eher ein bißchen ungemütlich zu sein. Er wirkte nicht, als stecke er in ernsthaften Schwierigkeiten. Deshalb öffnete ich die Tür.
    Das war mein erster Fehler.
    »Sergeant! Was machen Sie denn hier? Wie geht es Ihnen?« Ich reichte ihm die Hand. Das hätte ich mich nicht getraut, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    Er war zwanzig Jahre älter als ich, ungefähr gleich groß und zwanzig Pfund leichter. Seine Haut hatte die Farbe von gegerbtem Rehfell, seine großen Ohren standen ab, das Gesicht war das reinste Faltengebirge. Er hatte kleine, dunkle Augen, schwarzes Haar mit vielen grauen Strähnen, die früher noch nicht dagewesen waren. Ich konnte nicht
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