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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde
Autoren: Glen Cook
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dabei vielen Leuten auf die Zehen getreten.«
    »Ich bin noch etwas tapsig, General. Das wächst sich noch zurecht.«
    »Bezweifle ich. Jedenfalls scheinen Sie vor mir keine Angst zuhaben.«
    »Stimmt.« Ich kannte einfach zu viele Kerle, die einen tatsächlich einschüchterten, und hatte wohl Hornhaut auf dem dafür zuständigen Organ gebildet.
    »Vor ein paar Jahren hätte ich Sie noch beeindruckt.«
    »Die Umstände haben sich geändert.«
    »Allerdings. Und das ist gut. Ich brauche einen Mann, der sich nicht einschüchtern läßt. Vor allem nicht von mir. Wenn Sie Ihren Job richtig erledigen, werden Sie, so fürchte ich, eine Menge Wahrheiten ans Licht zerren, von denen ich nichts wissen will. Einige werden vielleicht so brutal sein, daß ich Sie zurückpfeifen werde. Schaffen Sie es, sich mir zu widersetzen?«
    »Ich bin etwas verwirrt.« Das war untertrieben. Ich war baff.
    »Da sind Sie nicht der einzige, Mr. Garrett. Ich meine folgendes: Falls ich Sie engagiere, und vorausgesetzt, Sie akzeptieren den Job, dann führen Sie ihn bis zum bitteren Ende durch, ganz gleich, was ich Ihnen auch später erzählen mag. Ich werde veranlassen, daß Sie im voraus bezahlt werden. So geraten Sie nicht in Versuchung, sich meinem Druck zu beugen, weil Sie Ihr Honorar bekommen wollen.«
    »Ich begreife es immer noch nicht.«
    »Normalerweise halte ich mir zugute, jede Wahrheit auszuhalten. In diesem besonderen Fall will ich jedoch Vorsorge treffen, daß ich keine Wahl habe, als die Wahrheit zu akzeptieren, ganz gleich, wie sehr ich mich auch drehe und wende. Verstehen Sie das?«
    »Ja.« Klar, ich kannte die Wörter aus der Schule. Nur ihr Sinn blieb mir verborgen. Wir alle verbringen viel Zeit damit, uns etwas vorzumachen, und die Mitglieder seiner Klasse waren geradezu meisterlich darin. Allerdings stand der General immer in dem Ruf, außerordentlich bodenständig zu sein. Er hatte mehr als einmal Befehlen nicht gehorcht oder sie mißachtet, weil sie Wunschvorstellungen seiner Vorgesetzten entsprungen waren. Leute, die nie näher als fünfhundert Meilen an einer richtigen Schlacht drangewesen waren. Die Ereignisse hatten ihm jedesmal recht gegeben.
    Logisch, daß er nicht viele Freunde hatte.
    »Bevor ich eine Verpflichtung eingehe, muß ich wissen, was ich tun soll.«
    »In meinem Haus befindet sich ein Dieb, Mr. Garrett.«
    Er hielt inne, als ihn eine Art Krampf packte. Ich dachte zuerst, es handele sich um einen Herzanfall, sprang auf und lief zur Tür.
    »Warten Sie«, keuchte er. »Es geht gleich vorbei.«
    Ich blieb zwischen Stuhl und Tür stehen und sah, wie der Anfall nachließ. Einen Moment später schien der General wiederhergestellt zu sein. Ich setzte mich wieder hin.
    »Ein Dieb in meinem Haus. Obwohl ich alle hier seit mindestens dreißig Jahren kenne. Jedem von ihnen habe ich mehr als einmal mein Leben anvertraut.«
    Es mußte ein schlimmes Gefühl sein, zu wissen, daß man seinen Jungs zwar sein Leben, aber nicht seine Besitztümer anvertrauen konnte.
    Ich ahnte allmählich, warum er einen Außenseiter ins Spiel brachte. Unter den alten Kameraden gab es einen faulen Apfel. Sie deckten sich vielleicht gegenseitig, weigerten sich, die Wahrheit zu sehen oder … Wer weiß? Marines denken nicht wie normale Menschen.
    »Verstehe. Fahren Sie fort.«
    »Mein Gebrechen entstand kurz nach meiner Rückkehr. Es ist offenbar die galoppierende Schwindsucht. Nur, daß diese Abart langsam fortschreitet. Mittlerweile verlasse ich meine Gemächer nur noch sehr selten. Aber ich habe im letzten Jahr bemerkt, daß einige Gegenstände, die sich teilweise schon Jahrhunderte im Besitz der Familie befanden, verschwunden sind. Es sind keine großen, auffälligen Sachen, deren Fehlen sofort auffallen würde. Nur Schmuckstücke, die manchmal reinen Erinnerungswert haben. Dennoch müßte mittlerweile ein ganz hübsches Sümmchen zusammengekommen sein.«
    »Verstehe.« Ich warf einen Blick auf den Kamin. Wurde Zeit, mich zu wenden, sonst war ich auf einer Seite nicht gar.
    »Halten Sie es noch ein paar Minuten mit mir aus, Mr. Garrett.«
    »Ja, Sir. Waren in letzter Zeit Fremde im Haus? Oder bekommen Sie regelmäßig Besuch?«
    »Ein paar Leute vom Hügel, aus der Oberstadt. Nicht die Sorte, die klaut.«
    Ich sagte zwar nichts, aber meiner Meinung nach waren die Hügelianer die schlimmsten Galgenvögel. Unsere Adligen raubten selbst einem Toten die Kupfermünzen von den Augen. Aber eins sprach für die Ansicht des Generals: Sie würden
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