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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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Leben in Heimen und davor‘. Die Aufzeichnungen enden mit dem Beginn der ersten Haft.
Beinahe alles kenne ich bereits aus seinen Berichten. Jetzt erhalte ich die klare
zeitliche Abfolge. Auch hier gibt es keine
Emotionen, nur eine Aufzählung von Ereignissen in erstaunlich geschliffenem
Stil und relativ guter Rechtschreibung.

    Auffallend ist für mich, dass dieser Bericht mit Beginn seines kriminellen Erwachsenenlebens endet.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Die Sexualstraftat als Thema
In der Zwischenzeit erzählt er mir von mehreren Sexualdelikten, für die er vor der Langzeithaft verurteilt wurde. Doch auch dabei handele es sich um gemeine Beschuldigungen. Nur als 1 6-Jähriger habe er einmal Blödsinn (versuchte Vergewaltigung) gemacht, der aber viel harmloser gewesen sei, was ihm jedoch niemand glaubte.
Es wird für mich deutlich, dass er sich
der Verantwortung nicht stellen will
bzw. kann, wenn es um sexuelle Zusammenhänge geht. Wenn er diesen Bereich
abgespalten hat, fehlen ihm ohnehin
Wahrnehmung und Steuerung dazu.

    Auf Diebstähle und Betrügereien ist er
stolz, damit ‚sorgt er für mehr Gerechtigkeit‘! Außerdem hat man ihn dabei selten erwischt!
Ich sage ihm, dass ich nur hören kann, was er erzählt, ohne zu wissen, wie es wirklich war, dass ich deshalb auch keine Stellung beziehen werde.
Er erlebt sich nur als Opfer von Justiz und Frauen, die ihn beschuldigen.

    Es fällt mir nicht immer leicht, in dieser
neutralen Haltung zu bleiben. Hilfreich
ist, dass ich keine Einsicht in die Akten
nehme, obwohl sie mir zustünde.
Dann berichtet er von einem Film, den er im Unterricht sehen konnte: „Dead Man Walking – Sein letzter Gang“. Ich verschweige, dass ich den Film kenne und lasse ihn den Inhalt erzählen. Es geht um einen zum Tod verurteilten Vergewaltiger und Mörder, der wochenlang von einer Nonne bis zur Hinrichtung begleitet wird, seine Tat leugnet, dann während der tödlichen Injektion die Tat gesteht und die Eltern des Opfers um Verzeihung bittet. G.K. erwähnt nur die Hinrichtung, nicht das Geständnis!
Ein unglaublich harter Film, der mich
vor zwei Jahren sehr erschüttert hat. Die
eingeblendeten Szenen des Tathergangs
waren für mich kaum auszuhalten.

    Dass G.K. vom Geständnis nichts erwähnt, heißt für mich:
    Entweder verschweigt er es absichtlich,
weil es ihn beunruhigt, oder er hat es
verdrängt, wie alles, was mit seiner Verantwortung für sexuelle Tatbestände zu
tun hat.
    Letzteres halte ich für wahrscheinlicher.
Er erzählt den Inhalt wie einen nüchternen Zeitungsbericht; auf die Frage, wie es ihm dabei gegangen sei, antwortet er nur: langweilig.
Ich bin innerlich entsetzt über seine Teilnahmslosigkeit und Kälte.
    Gleichzeitig wird mir bewusst, wie „erstarrt“ seine Seele sein muss. Nur durch
diese Wahrnehmung kann ich weiter gut
mit ihm umgehen.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Festgefahren (nach ca. fünf Monaten)
Die Erinnerungen an sein Leben und viele Knastgeschichten durchziehen alle Gespräche. Noch immer tauchen neue Ereignisse auf.
    Der Mutter, die ihn ‚verstoßen‘ hat, begegnet er – auf mein Nachfragen – mit Verachtung und Hass!
    Zu seinem kriminellen und gewalttätigen Naturell gehört untrennbar sein Eintreten für Schwächere und Benachteiligte, allerdings auch mit brutaler Gewalt.
Diese Gefühle benennt er zwar, aber –
wie er sagt – lassen ihn kalt. Ich kann
auch keine Körpersignale beobachten.
Meine Versuche, mit ihm nach legalen Lösungen auszuschauen, enden immer in seiner klaren Feststellung: Für mich gibt es keine andere! Andere Konfliktlösungen sind Zeichen von Schwäche!
Er wirkt auf mich innerlich so erstarrt,
dass ihn auf der Gesprächsebene nichts
erreichen oder berühren kann. Seine
Haltung, die er wie eine Rüstung trägt,
lässt alles abprallen.
Seine Meinung über die Menschen und das Leben ‚draußen‘ äußert er in verallgemeinernden abfälligen Schablonen, mein Dagegenhalten wird großzügig lächelnd ‚ertragen‘.
    Von Zeit zu Zeit mache ich darauf aufmerksam, dass ich ‚draußen‘ bin und dass ich anderes erfahre.
Ich erfahre von MitarbeiterInnen:
    Der starke Realitätsverlust ist bei Langzeithäftlingen eine typische Folge ihres
Abgeschnittenseins vom Leben.
    G.K. bastelt sich aus Fernsehsendungen
und Geschichten von Neuankömmlingen sein Weltbild und urteilt hemmungslos.

    Jedes Mal, wenn ich etwas bewegen will
bei ihm (es passiert mir immer noch),
stoße ich auf Granit. Er kennt sich überall am
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