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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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besten aus. Seine Selbstüberschätzung scheint grenzenlos.
    Sobald ich wieder begreife und ihn lasse,
werden die Gespräche lebendig und offener.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Briefkontakt
Wenn ich in Ferien verreise, schreibe ich ihm, und er antwortet postwendend.
    Seine Briefe sind Aufzählungen von Ereignissen und seinen festgelegten Meinungen, die Grußformeln nüchtern und höflich (er vergisst nie die Grüße an meinen Mann).
    Meistens schreibt er auf von Hand verziertem Papier.
Es geht für ihn offensichtlich nicht um
die Briefinhalte, sondern um das Kontakthalten.

    Die Aufzählungen sind ein deutlicher
Spiegel seiner Struktur. Wahrnehmung
und Ausdruck seines Gemütszustandes
kommen da nicht vor.
    Sie scheinen jedoch anzuklingen in seinem kreativen Gestalten.
Veränderung (nach ca. acht Monaten)
Veränderung
(nach ca. acht Monaten)
Ich nehme deutlich wahr, dass die Veränderung etwas mit meinen Besuchen
zu tun hat.
G.K. trinkt zunehmend weniger – so seine Berichte. ‚Weil ich es nicht mehr so brauche!‘
    Ihm seien das Geld und seine Gesundheit zu schade.
    Obwohl er ständig mit kreativen Arbeiten (Sticken, Malen, Scherenschnitten, Schreiben und Kalligraphie beschäftigt ist, hält er die Besuchstage ‚arbeitsfrei‘. Er begründet das mit ‚es lohnt sich dann nicht, etwas anzufangen‘
Die regelmäßige Zuwendung tritt an die
Stelle von tröstendem Schnaps, vielleicht
uneingestandenes Aufgeregtsein (Vorfreude) am Besuchstag lässt ihn nicht
arbeiten.
    Das beflügelt einerseits meine Motivation weiterzumachen. Es fühlt sich an wie
eine Belohnung.
    Ich spüre aber auch eine wachsende Verantwortung.
    Noch wichtiger als zu Beginn nehme ich
meine Verlässlichkeit und Pünktlichkeit.
Mir wird deutlich: Es geht nicht eigentlich um die Gesprächsinhalte, sondern
um meine Zuwendung. Sie wirkt!
Seit einiger Zeit macht er mir Geschenke: Scherenschnittkarten, Bilder, ‚Aus dem Leben eines Taugenichts‘ in Handschrift abgeschrieben (und dazu als freundliche Beigabe das Taschenbuch, damit ich mich beim Lesen nicht so plagen muss!)
Ich erlebe ‚das Kind‘, das der Mutter eine
Freude machen und das gelobt werden
will.
    Auch wenn er von seinen Gefühlen abgeschnitten ist, sie suchen sich einen Ausdruck in diesen Geschenken.
Neben der handwerklichen Genauigkeit und Perfektion steht die beinahe rührende Naivität der Motive: Sein Kunstgeschmack scheint im Kindlichen stecken geblieben.
Ich bewundere sein Können, ohne meinen eigenen Geschmack zu erklären.
Gleichzeitig sehe ich seine innere Tragik
und Dramatik: hier die kindliche Seele,
weich und lieb – und daneben der Stau
von Hass und Rache.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Liebeserklärung (Weihnachten 1998)
G.K. schenkt mir ein gesticktes Kissen mit einem rot flammenden Herzen. Sein Kommentar: Das hatte ich noch zufällig!
Indem er es herunterspielt, kommt die
Botschaft bei mir an. Ich weiß von erfahrenen Betreuerinnen, dass das Verlieben
unweigerlich dazugehört. Für mich geht
es jetzt um respektvollen Umgang mit
seinen Signalen.
Ich bewundere wieder die Kunst der Arbeit. Dann sage ich: Ich werde dem Kissen einen guten Platz geben.
Meine Rückmeldung lässt ihn strahlen.
Unsere Begegnungen sind freundlich, oft heiter.
    Ich mache erste Versuche von Fantasiearbeit, lasse ihn bei den wenigen guten Erfahrungen in seinem Leben ‚ankern‘, mit Farben und Temperaturen, rege Visionen an, wie er sich sein Leben wünschen und gestalten möchte.
Zu Hause habe ich eine ‚Schatzkiste‘, in
der ich Gerhards Geschenke zu sammeln
beginne. Sie sind weit entfernt von den
Dingen, mit denen ich mich gern umgebe. Aber ich habe das Gefühl: Die
Schatzkiste ist ein würdiger Platz, wahrt
gleichzeitig die gute Grenze zwischen
ihm und mir, auch wenn er es so nicht
verstehen könnte.

    Auf kurze Phasen kann er sich einlassen:
innere Bilder steigen auf, er malt sie aus,
auch wenn er zur tieferen Gefühlsebene
keinen Zugang findet. Dennoch haben
diese Arbeiten emotionale Qualität.
Bei den Visionen nehme ich eine große
Sehnsucht wahr nach einem geordneten
Leben in einer treuen Beziehung mit einer Frau.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Ein Jahr Begleitung – Rückschau
Ich schlage ihm eine kritische Rückschau auf das Jahr vor. Dazu schreibe ich einen detaillierten Fragebogen, für jeden ein Exemplar: Wie ging es mir mit ... (Zeit, Gespräch, Gegenüber ...)? Was war gut? Was nicht? ... usw.
Seine ‚Verliebtheit‘ – inwieweit er sie gefühlsmäßig
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