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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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Gefängnis:
    Sein großes Hobby, das Gobelin-Sticken. Er hat es sich in der Haft angeeignet, stickt Kissen, Bilder, Decken, macht Scherenschnitte und treibt damit Handel unter seinen Mitgefangenen.
    Seine Zelle ist eine wohlgeordnete ‚Höhle‘ mit gesammelten ‚Schätzen‘. Hier besuchen ihn viele Mitgefangene, die etwas brauchen oder nur ihr Herz ausschütten wollen. Er hört zu, trägt nichts weiter, gibt Rat und Hilfe, aber braucht und verteidigt sehr stark seine Privatsphäre. Einen Freund gibt es nicht. ‚Trauen kann man hier niemandem!‘
    Die mangelhafte Schulbildung hat er durch nachgeholten Hauptschulabschluss im Gefängnis ergänzt. Jetzt besucht er die Realschule, aber dort wird er nur freundlich geduldet. Eigentlich gehen die Anforderungen – so sieht er es auch – über sein Lernvermögen. Sein Problem in Haft war bisher seine geballte Aggression, die sich – wenn er gereizt wurde, sehr gewalttätig entlud.
Die Rolle, die er für seine Mitgefangenen
wahrnimmt und die ausgeprägten handwerklichen Fähigkeiten machen ihn
wohl – so stellt er sich dar – zu einem
besonderen Insassen der Anstalt.
    Er genießt Ansehen und Respekt, denn
er gehört zu den ‚ganz Alten‘ (bzgl. der
Haftzeit), ist hilfsbereit, aber zieht klare
Grenzen.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Entwicklung von Beziehung
Mir fällt auf, dass er bei jedem Besuch anders gekleidet ist, bis er mir nach einiger Zeit alles ‚vorgeführt‘ hat. Ich sage ihm jedes Mal, dass ich es sehe. Er ist sehr stolz auf seine reichhaltige Garderobe.
Obwohl sein Äußeres nach wie vor für
mich eigentlich abstoßend ist, spielt es in
der Begegnung kaum noch eine Rolle.
Aber bei jedem Treffen nehme ich es immer wieder neu wahr. Gleichzeitig sehe
ich auch, wie er bemüht ist, sich für mich
,schön‘ zu machen.
Ich mache mit ihm aus: Trinken nur, wenn kein Besuch ansteht. Ich wünsche mir einen nüchternen Gesprächspartner.
Als wir uns kennenlernten, trank er fast
täglich große Mengen hochprozentigen
Alkohol.
    Mit meinen regelmäßigen Besuchen sind
Pausen notwendig.
    Ich merke, dass es sehr wichtig für ihn
ist, sich an die Abmachung zu halten.
Stolz berichtet er von zunehmenden Alkoholpausen.
Er weiht mich allmählich in viele Geheimnisse des Knastlebens ein; das Wichtigste davon: Most ansetzen und Schnaps brennen, ohne erwischt zu werden.
Mit beinahe liebevoller Freundlichkeit
erklärt er mir alles, was ich nicht verstehe oder kenne. Er spricht nicht herablassend zu einer ahnungslosen Braven, er
macht mich eher zur Vertrauten, die ein
paar Informationen braucht.
    Dabei ist er zweifellos in der Rolle des
Großen, der sich auskennt und voll ist
von Tricks und Ideen, um schwierige Situationen zu meistern.
Ich versuche die kritische Bemerkung: Aber trotz Schläue, Klugheit und tausend Tricks sitzen Sie die meiste Zeit ihres Lebens im Gefängnis! Damit löse ich eine Lawine von Schuldsprüchen an ‚die ganze Welt‘ aus; er ist nur das Opfer von Ungerechtigkeiten und Gemeinheiten.
    Gesetze sind nur dazu da, um zu schikanieren. Jeder muss selbst entscheiden, was für ihn richtig ist. Wenn jemand wenig zum Leben hat, muss er es sich von denen holen, die mehr haben, niemals hat er jemandem etwas weggenommen, der arm ist!
Einen eigenen Anteil an seiner Geschichte kann er nicht sehen. Er ist voll von
Hass gegen seine Mutter und alle, unter
denen er sehr leiden musste. Die Verantwortung für seine Straftaten – sofern er
zu ihnen steht – ist er nicht bereit zu
übernehmen.

    Eine Diskussion mit ihm ist unmöglich.
Alles, was nicht in seine Vorstellung
passt, rutscht an ihm herunter und rührt
ihn nicht an.
Er hat sich innerlich verbarrikadiert.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
So eine seiner ‚Lebensweisheiten‘! Als ich ihm meine Vorstellung dagegenhalte, hört er lächelnd zu, wartet, bis ich fertig bin und spricht von etwas anderem.
Immer wieder betont G.K., dass er gerne schreibt, vor allem abschreibt. Vor vielen Jahren hat er sich zum Zeitvertreib die alte deutsche Schön-Schrift beigebracht.
    Nach ca. einem halben Jahr frage ich, ob er seine Lebensgeschichte einmal aufschreiben möchte. (Ich bitte darum, nicht in Handschrift, da ich sie kaum lesen kann)!
Ich höre daraus:
    Seine Schrift kann heute fast niemand
mehr lesen.
    Er hebt sich ab, indem er sie beherrscht.
Und er grenzt sich ab; sie wird eine Art
Geheimschrift.
Wenige Wochen später erhalte ich 27 sauber getippte Seiten (mit seiner alten Schreibmaschine), Titel ‚Mein
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