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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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wahrnimmt, vermag ich
nicht zu sagen – drückt er hier sachlich
und trocken aus.
    Das gibt mir die Möglichkeit, mich
freundlich lachend zu bedanken für das
Kompliment.
G.K. geht gerne darauf ein. Wir beantworten die Fragen schriftlich „zu Hause“ und lesen sie uns beim nächsten Mal vor.
Gleichzeitig beweist mir sein ‚Antrag‘,
wie weit er entfernt ist von der Einschätzung der Realität.
    Aber ich nehme auch seinen Respekt vor
meiner privaten Situation wahr.
Er beantwortet alles mit ‚großer Zufriedenheit‘. Sein letzter Satz an mich: Wären sie noch frei, würde ich ihnen einen Antrag zum Heiraten machen. Wir würden uns sicher gut verstehen.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Das zweite Jahr (1999)
Die unterschiedlichen Themen des ersten Jahres tauchen immer wieder in anderen Zusammenhängen auf.
Im Frühjahr 1999 wird für die Ehrenamtlichen eine monatliche Supervisionsgruppe eingerichtet. Für mich wird die
Teilnahme zu einer wichtigen Begleitung!
Er hofft, dass er nach Ablauf von 15 Jahren Haft + 10 Jahre Sicherungsverwahrung im Dezember 2001 entlassen wird.
    Die Gesetzeslage spricht dagegen. Die Richter sind seit einigen Jahren befugt, je nach Einschätzung, die Sicherungsverwahrung zu verlängern. Ohne Therapie hat ein Sexualstraftäter keine Chance.
Mir wird deutlich, dass er keine Notwendigkeit sieht, sich mit seinem Leben auseinanderzusetzen. Seine Einschätzung
hält er durch: Er ist in Ordnung, die andern sind schuld an seinem Elend!
    Meine Impulse, ihn zu mehr selbstkritischer Haltung anzuregen, laufen – wenn
ich es richtig sehe – weitgehend ins Leere.
Aber er will so lange Beschwerden schreiben, bis er frei kommt.
Erfreulich ist dennoch, dass Alkohol fast
keine Rolle mehr für ihn spielt.
Weder bei ihm noch bei anderen, die mit seinem Fall beschäftigt sind, will und kann ich Einschätzungen über ihn äußern. Aber ich benenne seine Freundlichkeit, Pünktlichkeit und seinen Respekt vor mir.
Auch schimmert manchmal eine friedfertigere Haltung durch, wenn es um
Auseinandersetzungen geht.
    Für eine Therapie – so die Meinung einiger Psychologen (selbst wenn er jetzt bereit dazu wäre) – sei es wohl zu spät.
Meine Begleitung sehe ich mehr denn je
als lebenserleichternd.
Er spricht keine Wünsche oder Erwartungen an mich aus, äußert vielmehr seine Dankbarkeit.
    Dazu gehört, dass er mich nicht mit Tricks (wie es oft bei andern Häftlingen geschieht) für irgendwelche Geschäfte nach draußen benützen will.
Er lebt im Rahmen seiner eigenen Moral
mit vielen Werten, die ihm heilig sind.
Religiös ist er so verletzt und geschädigt, dass er keinen Zugang zu einer Form von Spiritualität finden kann. Die Nonnen in den Kinderheimen haben ihn – so seine Berichte – im Namen Gottes und der Kirche geprügelt und gequält.
Zu der schlimmen Kränkung durch die
Mutter kommt diese Heim-Erfahrung
als massive Verstärkung. Die frühen
weiblich-mütterlichen Beziehungen verlaufen wohl fast ausschließlich negativ
mit zerstörerischer Folge.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Ein Tief (Sommer 1999)
G.K. kommt angetrunken, schimpft, entwirft wilde Fantasien eines Blutbades, das er anrichten wird, wenn man ihn 2001 nicht frei lässt. Er zeigt Gefühl.
    Ein Mithäftling hat sich ‚weggehängt‘. (Eigentlich – so sagt er – berührt ihn das nicht. Aber seine Wut auf die Justiz und den Vollzug ist heftig: ‚Die wollen uns nur soweit bringen, aber wenn ich gehe, nehme ich noch ein paar (Vollzugsbeamte) mit!!!‘
Zum ersten Mal verliert er die Fassung.
Der Selbstmord des Mitgefangenen hat
ihn wohl erschüttert, ohne dass er es
weiß.
    In Ansätzen kann ich nachvollziehen,
wie angestaute Wut sich in Gewalttaten
explosionsartig Bahn bricht, wenn ein
Mensch normalerweise keine Verbindung zu seinen Gefühlen hat.

    Ich komme mir ziemlich hilflos vor.
Aber ich versuche nicht, ihm etwas auszureden.
Gleichzeitig äußert er die Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit seiner Situation.
    Er will frei sein, aber er hat auch Angst vor der Freiheit. Er hat den Anschluss an das Leben verloren, ist gesundheitlich angeschlagen ...
So kann er in diesem Gespräch Druck
ablassen.
    Hier erinnere ich ihn an seine wichtige
Rolle, die er offensichtlich für viele Mithäftlinge spielt.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Bewegung
Beim nächsten Besuch frage ich ihn, ob er mir ein paar Bilder sticken will, die ich ihm bezahle. Er sagt gerne zu. Ich gebe ihm einige Kunstkarten (Klee, Picasso) als Vorlagen.
Seine
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