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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose
Autoren: Elizabeth Fenwick
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Die Nacht war frostklar, viel zu kalt, als dass es hätte schneien können. Ein scharfer Ostwind ging, der ihm unter den Kragen kroch und ihm Tränen in die Augen trieb. Ein für diese Jahreszeit untypischer Kälteeinbruch hatte die Zweige mit Raureif überzogen und die ersten Blatt-Triebe erfrieren lassen. Hoch oben am Nachthimmel leuchteten die Sterne beinahe zögerlich und furchtsam, unendlich weit entfernt. Der Weg war von einem Wellenmuster aus hart gefrorenem Schlamm bedeckt. Pfützen, die noch von Schneefällen der vergangenen Woche herrührten, waren mit einer dicken, schwarzen Eisschicht bedeckt, die jedoch nicht stark genug war, um das Gewicht eines kräftigen Mannes zu tragen.
    Die massige Gestalt stolperte den sternenbeschienenen Pfad entlang, verlor das Gleichgewicht und landete dumpf und schwer in einer großen Wasserlache.
    «Verdammte Scheiße!» Wie ein Peitschenhieb zerschnitt seine Stimme die nächtliche Stille.
    Das Eis unter ihm zerbarst, und er sank mit dem Hinterteil schmählich in eiskaltes Wasser. Schlammiges Nass drang durch seinen teuren Trenchcoat bis auf die Haut.
    «Was für ein bescheuerter Treffpunkt», schimpfte er halblaut vor sich hin, während er mühsam versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Seine Bewegungen waren schwerfällig und unkoordiniert und verrieten einen Mann in mittleren Jahren, der seine Tage größtenteils am Schreibtisch sitzend verbrachte und schon lange nichts mehr für seine körperliche Fitness getan hatte.
    Zielstrebig machte er sich wieder auf und trottete weiter. Er fror nun, trotz seines schweren Mantels und des Jagdanzugs. Der Wind jagte Wolkenfetzen über den Himmel, so dass der Mond ihm den Weg leuchten konnte, als er tiefer in den Foxtail Wood eintauchte. Es war fast zwei Uhr morgens, und keine lebende Seele schien sich in dieser unwirtlichen Nacht zu regen.
    Da erblickte er plötzlich das unstete Licht einer Taschenlampe und eilte weiter, erleichtert, endlich am Ziel zu sein. Eine freundliche Stimme rief ihn.
    «Hier drüben, Alan! Achtung, da ist ein Baumstumpf – autsch, das hat bestimmt wehgetan. Alles in Ordnung mit dir?»
    Alan rieb sich das Schienbein und stieß noch wüstere Verwünschungen aus, als er endlich die kleine Lichtung erreichte, wo das Licht der Taschenlampe leuchtete.
    «Auf die Minute pünktlich wie immer.» Die Stimme klang beschwichtigend, aber Alan war zu schlecht gelaunt, um sich so leicht besänftigen zu lassen.
    «Eine selten blöde Uhrzeit, das kann ich dir sagen!»
    «Ich weiß, aber es gibt einen guten Grund. Ich sagte dir bereits am Telefon, dass wir sehr vorsichtig sein müssen.»
    «Aber warum? Was ist denn passiert? Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, war doch alles bestens.»
    «Jetzt beruhige dich und trink erst mal einen Schluck – das wird dich aufwärmen.»
    Alan nahm die Thermosflasche und schenkte sich einen ordentlichen Schluck von dem, was immer sie enthalten mochte, ein. Anerkennend sog er den Duft der dampfenden Flüssigkeit ein, und seine Nase erkannte stark gewürzten Glühwein. Er leerte den halben Becher in einem Zug. Einen verdammt guten Bordeaux hatten sie da genommen, eigentlich ein Jammer, so einen Wein derart zu verpanschen, aber er würde sich gewiss nicht beklagen. Neben dem reichen, fruchtigen Aroma schmeckte er Brandy, Gewürznelken, Zimt, Zitrone und noch etwas anderes … was konnte das sein? Während er den Becher vollends leerte, ließ ihn ein bitterer Nachgeschmack erschauern.
    «Ist dir immer noch kalt? Komm, nimm noch einen Schluck.»
    Er ergriff den Becher und trank, ohne nachzudenken. Wenigstens war ihm jetzt wärmer, und er fühlte sich etwas gelöster. Als er den zweiten Becher ausgetrunken hatte, wandte er sich seinem Gegenüber zu.
    «Was ist so wichtig, so außerordentlich dringend, dass du mich zu dieser unchristlichen Zeit an diesen gottverlassenen Ort bestellst? Was soll diese Ge … Ge … Geheimnistuerei?» Er stolperte über seine eigenen Worte. Der Wein war ihm ganz schön zu Kopf gestiegen. Er würde sich zusammenreißen müssen.
    «Ich werde dir alles erklären. Komm erst mal hier rüber.»
    Alan folgte dem anderen über die mondbeschienene Lichtung. Auch die letzte Wolke hatte sich inzwischen verzogen. Der Untergrund war tückisch glatt, und er rutschte auf einer dunklen Fläche, die er zu spät als Eis erkannte, aus und landete hart auf seiner Hüfte.
    «Komm, ich helf dir.» Überraschend fest wurde er am Ellbogen gepackt, hochgezogen und einige Schritte
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