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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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Vorwort
    Seit etwa fünfzehn Jahren ist die Sicherungsverwahrung, die noch Anfang der 1990er-Jahre als Auslaufmodell galt, zu einem zentralen Bestandteil einer Sicherheitspolitik avanciert, die zunehmend auch das Strafrecht instrumentalisiert. Die Ausweitung der Sicherungsverwahrung in der Reform des Sexualstrafrechts 1998 eröffnete einen deutschen Sonderweg und setzte eine Dynamik in Gang, die erst durch verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ab 2009 und schließlich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai des Jahres 2011 abgebremst worden ist – aus der Sicht mancher Akteure in einer rücksichtslosen Weise und die Leiden der Opfer ignorierend. Nicht abgebremst allerdings ist die Debatte, wie mit Menschen umgegangen werden soll, die als gefährlich eingeschätzt werden.
    In einer persönlich gehaltenen, manchmal sehr direkten Auseinandersetzung benennt Peter Asprion die Probleme, die sich im Verlauf der Debatten um die Maßregel der Sicherungsverwahrung ergeben haben. Die Geschichten, die er hier erzählt, machen auf eine zuweilen bedrückende Art und Weise deutlich, dass Stigma und Ausgrenzung immer noch unersättliche Begleiterinnen auch eines sozialstaatlich begründeten Strafvollzugs sind. Aus mehreren Perspektiven schildert Asprion verschiedene Lebensstationen und die heutige Situation der Menschen, die aus der Sicherungsverwahrung freigegeben worden sind. Obwohl sie kaum für die Opferrolle geeignet scheinen, wird das Elend der deutschen Heimerziehung in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren auch in den Geschichten von Sicherungsverwahrten sichtbar. Es zeigt sich: Sie tragen dieselben Narben in sich wie diejenigen, deren Lebenswegnach den „Wohltaten“ der Heimerziehung nicht durch Gewalt gezeichnet ist. Kriminologische Lebenslaufperspektiven treffen in Peter Asprions Buch auf Analysen von Sachverständigen und auf Gefährlichkeitsprognosen, die nicht nur dann Problempotenzial in sich tragen, wenn sie von „Dr. Tod“ in Texas abgegeben werden.
    Darüber hinaus zeigt das Buch, dass sich unsere Gesellschaft in ihrer Wahrnehmung des Themas Sicherheit und in ihrem Umgang damit gewandelt hat. Sicherheit ist zu einem Leitmotiv von Entscheidungen auf allen Ebenen geworden, was zwar verständlich ist – und Peter Asprion bringt hierfür fast zu viel Verständnis auf –, aber allein deshalb noch lange nicht in Ordnung. Denn ebenso, wie es nie genug Sicherheit geben wird, wird es auch immer zu viel Kriminalität geben. Ganz anders als etwa bei der Verkehrssicherheit findet sich im Umgang mit Kriminalität ein schier unerschöpfliches Reservoir an Gefühlen, das ab Mitte der 1990er-Jahre in immer effizienterer Art und Weise mobilisiert werden konnte. Kampagnen der Vierbuchstaben-Zeitung – „Schämt Euch Ihr Richter“ – befeuern kriminalpolitische Reformen, die Sicherheit dadurch versprechen, dass Einzelne hart angefasst werden. Nachweise dafür, dass die Sicherungsverwahrung dieses Versprechen gar nicht einlösen kann, finden sich in diesem Buch.
    Die Beschäftigung mit Angst und Furcht ist ebenso verständlich, wie es die Beschäftigung mit Risiken und Gefahren sowie mit Versuchen ist, Gefahren vorherzusagen und abzuwehren. Das Buch gibt jedoch einerseits zu bedenken: Wir werden ganz sicher nicht an dem sterben, wovor wir die meiste Angst haben. Und zum anderen regt es zum Nachdenken darüber an, ob es tatsächlich Angst und Unsicherheitsgefühle sind, die den Umgang mit entlassenen Sicherungsverwahrten antreiben, oder ob sich hier nicht vielmehr ein Ventil für Wut und Ärger geöffnet hat.
    Peter Asprion geht auch auf die Reaktionen auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein und dokumentiert die verbissenen Versuche, die Wirkungen der Straßburger Entscheidung zu verhindern. Selbstverständlich ist Deutschland dazu verpflichtet, die Entscheidungen des EGMR in vollem Umfang zu implementieren. Allerdings hat man hierzulande vor allem mit dem Therapieunterbringungsgesetz, das besser als Gesetz zur Verhinderung der Umsetzung der Straßburger Entscheidungen zur Sicherungsverwahrung hätte bezeichnet werden sollen, dem europäischen Menschenrechtsschutz keinen Dienst erwiesen.

    Professor Dr. Hans-Jörg Albrecht

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