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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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Stimmung verändert sich, er genießt den Auftrag.
Nach mehreren Wochen intensiver Arbeit erhalte ich ein Bild nach dem anderen, jedes in sehr sorgfältiger Ausführung. Auf die Frage nach dem Preis meint er, er sei froh, auch einmal etwas für mich tun zu können. Ich bezahle ihn dann nach meinem Ermessen. Die Beträge überweise ich auf sein Konto; nur so darf er im Gefängnis Geld annehmen.
Er hat wieder eine Bedeutung, durch seine Arbeit wird er wahrgenommen und geschätzt.
Danach wendet er sich immer mehr dem Abschreiben von Geschichten und Büchern zu.
    Ist eine Arbeit fertig, erhalte ich sie fein säuberlich in Handschrift. Also beginne ich, mich im Lesen der deutschen Schrift zu üben.
    Über jede Geschichte, die er mitbringt, spreche ich später mit ihm: Was hat Sie am meisten beeindruckt? Wer wären Sie in dieser Geschichte? ...
Ich ahne einen Zusammenhang:
    Die Bilder, die er für mich stickte, passen nicht in seinen Geschmack. Er spürt den Kontrast und sucht nach Gemeinsamem. Das findet er in den Geschichten.

    Die Gespräche führen immer in seine eigene Geschichte.
    Auch wenn er nicht bewusst an seine Gefühle herankommt, er kann sie durch die Bilder der Geschichten zum Ausdruck bringen.
Er schenkt mir ein kleines Büchlein mit handgeschriebenen Gedichten, viele davon sind selbstverfasst. Es sind Liebesgedichte, an ein ‚Du‘, sehnsuchtsvoll und schlicht, aber nicht peinlich.
    Beim nächsten Mal würdige ich seinen Umgang mit Sprache, die ästhetische Gestaltung des Büchleins und frage, wann ihm diese Texte eingefallen sind: „Nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, habe ich halt irgend was aufgeschrieben, was mir grad einfiel!“
Als ich zu Hause lese und begreife, dass er mich meint, überlege ich mir sehr genau, wie ich reagieren will. Es geht mir um Wahrnehmen und Distanz ohne Kränkung.

    Durch sein sachliches Berichten können wir hier gut einen Punkt machen.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Das dritte Jahr (2000)
Flaute
G.Ks. Lebensgeschichte ist in vielfach wiederholter Weise Thema bei unseren Treffen gewesen, jetzt ist das Gespräch darüber so gut wie erschöpft.
    Neue Themen tauchen selten auf. Wir treten auf der Stelle.
    Mit Bildkarteien bringe ich manchmal neue ‚Farbe‘ in die Besuche. Annäherungen an Stimmungen in begrenztem Maß sind möglich, die Ausdauer, zu verweilen, ist bei ihm kurz.
    Wir entscheiden miteinander, die Zeit auf eine Stunde zu beschränken.
Aus unserer Begegnung ist ‚die Luft raus‘. Ich spüre Frust, Enttäuschung, dass er nicht weitergeht. Die Besuche werden für mich anstrengender, wohl weil ich wieder mal auf ‚mehr‘ hoffe oder warte. Das kommt bei ihm an und er blockiert.
    In der Supervision kann ich das erkennen.
    Mir wird der geringe Spielraum bewusst, in dem G.K. sich überhaupt bewegen kann.
Er ‚bastelt‘ gedanklich viel an möglicher Freilassung. Die zuständige Sozialarbeiterin versucht ihm seine geringen Chancen deutlich zu machen. Damit erklärt er auch sie – neben allen Vollzugsangestellten – endgültig zu seiner Feindin.
Die zeitliche Eingrenzung ist für uns beide eine Hilfe.

    Ich versuche, ihm die juristische Lageverständlicher zu machen – doch da macht er dicht.
Ich mache ihm die Zusage:
    Sollte seine Freilassung erfolgen, würde ich ihm behilflich sein beim Besuch von Ämtern usw.;
    außerdem könnten wir uns weiter regelmäßig zu Gesprächen in einem Freiburger Café treffen.
    Allerdings betone ich die Grenze zu meinem Privatleben, die ich einhalten werde.
Natürlich spiele ich in Gedanken seine mögliche Freilassung durch.
    Es gibt bei mir keine Angst vor ihm! Außerdem: Menschen, die sich für ihn eingesetzt haben, genießen seine Dankbarkeit und seinen Schutz. Das weiß ich auch aus der Erfahrung anderer in ähnlichen Fällen.
    Insofern ist mein Angebot ernst gemeint. Sein Respekt vor meinen Wünschen und meiner Situation ist immer präsent. Ich verstehe es auch als Antwort auf die Haltung, mit der ich ihm begegne.

    Verlauf der Begegnung
Wahrnehmungen
Auf Du und Du
Im Sommer übernehme ich die Drogengruppe in der Anstalt. Ich teile G.K. dies frühzeitig mit und schlage ihm jetzt das ‚Du‘ vor. In der Gruppe wird nur mit ‚Du‘ gearbeitet. Da er und ich sich aber viel länger kennen, kommt er an ‚erster Stelle‘!
Die Gruppe zu übernehmen, ist für mich eine neue Herausforderung, eine Aufgabe, die mich sehr interessiert.
    Aber ich möchte verhindern, dass G.K. sich zurückgesetzt fühlt. Das würde seine
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