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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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dass einzelne Bundesländer und die Bundesjustizministerin bereits harsch um die Eckpunkte aus dem Entwurf der Justizministerin diskutieren. Für die CSU firmieren diese Eckpunkte unter der Überschrift „‚Wohlfühl‘-Pläne für Vergewaltiger“. 76 Und damit steht die CSU nicht alleine; ich kann mir schon jetzt Medienberichte unter der Überschrift „Hotelvollzug“ vorstellen.
    Deshalb mein Resümee: Wenn sich erwartbar nichts ändert, dann die Sicherungsverwahrung abschaffen statt Etikettenschwindel! Die Abschaffung der Sicherungsverwahrung könnte zumindest drei wesentliche Folgen mit sich bringen, die ich als außerordentlich positiv bewerte:
Die Zahl der Sexualdelikte würde nicht steigen, sondern weiter abnehmen, wie das die letzten Jahre schon der Fall war. Erklärungen, weshalb das so ist, sind schwierig. Denkbar ist, dass das heute durch die inzwischen standardmäßig eingesetzten DN A-Analysen höhere Entdeckungsrisiko relativ hoch ist und potenzielle Täter abschreckt. Aus kriminologischen Untersuchungenist bekannt, dass für viele Täter das Entdeckt-Werden an sich schwerer zu ertragen ist als die folgende Strafe.
Wenn es keine Sicherungsverwahrten mehr gibt, können diese auch nicht mehr dämonisiert werden. Im Jahr 1998 gab es etwa 170 Verwahrte in Deutschland. Jede vernünftige Überlegung widerspricht der Vorstellung, dass damit tatsächlich der „harte Kern“ der gefährlichen Täter erfasst war. Gerade die aufgezeigte Unzuverlässigkeit von Gutachten spricht dafür, dass hier eine Zufallsauswahl getroffen ist. Und Therapeuten könnten ohne die bisherige Dämonisierung gelassener und damit aussichtsreicher mit diesen Tätern arbeiten.
Die Bundesrepublik und die Länder sparen viel Geld und können dies in Präventionsmaßnahmen investieren. Nicht zuletzt würde verhindert, dass unser Land erneut vor dem Pranger des Menschenrechtsgerichtshofs steht.

Wollen Sie wirklich alles wissen?
    Der Soziologe Heinrich Popitz hielt am 23. Januar 1967 an der Universität Freiburg einen Vortrag unter dem Titel „Über die Präventivwirkung des Nichtwissens“. 77 Dieser Vortrag gilt inzwischen als Klassiker der soziologischen Literatur. Ausgehend von einer Glosse geht er der Frage nach, was denn wäre, wenn in Bezug auf Abweichung alle Mitglieder einer Gemeinschaft alles von allen wüssten. In der Geschichte kommt man mit dem Vollstrecken der Strafen nicht mehr nach, weil im Verborgenen weit mehr Verbrecherisches geschieht, als jemals ans Tageslicht kommt. Die Wirkung der Strafe beruht also mit darauf, dass wir nicht alles von allen wissen. Sie können gerne einmal für sich überlegen: Was wäre denn, wenn mein Chef, mein Nachbar … alles von mir wüsste?
    Oder gehen Sie doch die folgende Rechnung durch:

    Opferverbände und Viktimologen gehen davon aus, dass in Deutschland jede siebte Frau im Lauf ihres Lebens Opfer eines sexuellen Übergriffs wird.
    Nehmen wir einmal an, die Hälfte der Bevölkerung wären Frauen und davon wiederum etwa die Hälfte im Alter zwischen zwanzig und sechzig Jahren. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind das etwa 21 Millionen Frauen. Wenn jede siebte Frau Opfer eines sexuellen Übergriffs wird, dann sind drei Millionen Frauen in Deutschland Opfer solcher Delikte. Nun die schwierige Frage:
    Wie viele Täter gibt es unter uns?
    Wenn ein Täter jeweils nur eine Tat begeht = 3 Millionen Sexualstraftäter.
    Wenn jeder Täter jeweils zwei Taten begeht = 1,5 Millionen Sexualstraftäter.
    Wenn jeder Täter jeweils drei Taten begeht = 750 000 Sexualstraftäter.
    Zurzeit sind etwa 500 Sicherungsverwahrte in Deutschland hinter Gefängnismauern. Wo sind die anderen Gefährlichen? Nach dieser Rechnung müssten noch mindestens 749 500 unerkannte Sexualstraftäter frei unter uns sein!
    Glauben Sie wirklich, dass es auf die 500 entdeckten Täter ankommt? Und von diesen sind nach Prof. Nedopil etwa achtzig Prozent falsch als gefährlich prognostiziert, es sind also etwa 400 Menschen zu Unrecht in unseren Gefängnissen eingesperrt.

    Erhöht es wirklich Ihre Sicherheit,
    wenn die verbliebenen 100 Männer
    in Sicherungsverwahrung sind?

    Oder müssen wir,
    um unsere Freiheit zu erhalten,
    deren Freiheit ertragen?

Bibliographie
    Alex, Michael (2010). Nachträgliche Sicherungsverwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel. Holzkirchen.

    Beccaria, Cesare (1764 / 2005). Von den Verbrechen und von den Strafen. Berlin.

    Christie, Niels (2005). Grenzen des Leids.
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