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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen
Autoren: Emily Giffin
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hauptsächlich glücklich? Traurig? Habe ich Angst? Ich weiß es nicht. Ich denke an Ethan. Wie überrascht er sein wird. Der Waschlappen Dex ist doch kein solcher Waschlappen. Dann denke ich an James. Habe ich ihn geküsst, während Dex einen Weg suchte, mit mir zusammen zu sein? Sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Soll ich Dex davon erzählen?
    Dann denke ich gleichzeitig an uns alle vier: Marcus war illoyal gegenüber Dex. Dex war illoyal gegenüber Darcy. Nur Darcy hat zwei Leuten etwas angetan: mir und Dex. Sie ist die Einzige, die zweifach illoyal war. Ich denke an meine alte Freundin auf der Geschworenenbank. Triumphierend weist sie auf diese Tatsache
hin und sagt zu dem Chanel-Kostüm:«Ich hab’s doch gesagt.»
    Ich sehe zu, wie Dex sich abfrottiert, weiße Boxershorts anzieht und auf mich zukommt. Dann steht er vor dem Bett. Ich rutsche ein Stückchen zu seiner Seite hinüber. Vielleicht sollten wir die Seiten tauschen, zum Gedenken an die Veränderung in unserer Beziehung und zum Anerkenntnis ihrer neu gewonnenen Rechtmäßigkeit.
    Er knipst meine Lampe aus, kommt zu mir unter die Decke und schiebt den Arm um mich. Dann küsst er mich zweimal aufs Ohr. Aber keiner von uns beiden geht weiter. Vielleicht muss auch er das Ausmaß dessen, was hier passiert ist, erst noch begreifen.
    « Gut Nacht, Dex», sage ich.
    « Gute Nacht, Rachel.»
    Lange lausche ich seinen Atemzügen. Als ich ziemlich sicher bin, dass er schläft, sage ich leise seinen Namen.
    « Ja?», antwortet er. Er ist immer noch hellwach.
    « Geht’s dir gut?», frage ich.
    « Ja … Und dir?»
    « Mir auch.»
    Dann höre ich ein Geräusch von ihm – und zuerst klingt es, als ob er weint, und ich bin erleichtert, als mir klar wird, dass er lacht.
    « Was?»
    « Du.»Er ahmt mich nach:«Ich hab die Uhr in England gekauft.»Er lacht noch mehr.
    Ich gestatte mir ein schmales Lächeln.«Ich konnte nicht denken!»
    « Das hat man gemerkt.»
    « Du hast das Ding schließlich auf dem Nachttisch liegen lassen!»

    « Ich weiß … Scheiße. Es ist mir eingefallen, als sie hereinkam. Ich dachte, vielleicht sieht sie sie nicht. Dann hörte ich ihre Frage … und ich hab drauf gewartet, dass du dir was Gutes einfallen lässt. ‹Die hab ich in England gekauft› – das war’s eher nicht, woran ich dachte. Ich hab kopfschüttelnd im Dunkeln gehockt und gedacht: Das Spiel ist aus, Baby.»
    « Vielleicht ist es am besten so … Jetzt ist alles raus. Irgendwann hätte sie es sowieso erfahren.»
    Aber das meine ich nicht ernst.«Irgendwann»wäre besser gewesen als heute. Und vielleicht hätte sie nie erfahren, was in diesem Sommer, während sie noch mit Dex zusammen war, vorgegangen ist.
    « Ja. Eine Verlobung und zwei Freundschaften finito», sagt er.
    Ich frage mich, worüber er trauriger ist. Hoffentlich über Marcus.«Glaubst du wirklich, du wirst nie wieder mit Marcus befreundet sein?»
    Seufzend schiebt er sein Kopfkissen zurecht.«Ich bezweifle ernsthaft, dass wir in nächster Zeit zusammen Bier trinken gehen.»
    « Bist du darüber traurig?»
    « Was hätte Traurigsein für einen Sinn?», fragt er.« Wir sind jetzt hier.»
    Ich würde ihm gern sagen, dass ich ihn liebe. Aber ich glaube, das hat Zeit bis morgen. Vielleicht sogar bis übermorgen.

    Zwölf Stunden später bin ich auf dem Weg zu Hillarys Zimmer, als Les mir im Korridor auflauert.«Gut. Sie sind wieder da. Ich muss mit Ihnen sprechen.»
    Ja, es war ein schöner Urlaub. Nett, dass Sie fragen.
    « Sofort?»
    « Ja, sofort. Kommen Sie in mein Büro. Pronto.»

    Ich würde ihm gern sagen, dass normale Leute das Wort«pronto»nicht benutzen, es sei denn im Scherz oder beim Scrabble.
    « Ich muss mir was zum Schreiben holen», sage ich stattdessen. Der alte Trott hat mich also doch schon wieder.
    Augenblicke später sitze ich in seinem Büro, wo es nach Zwiebeln riecht, und kritzele wie eine Wahnsinnige die Anweisungen für drei neue Fälle aufs Papier. Lauter Zeit raubende, geisttötende, bescheuerte Rechercheprojekte für Anfänger. Durchsetzt von falschen Deadlines. Das ist meine Strafe, weil ich Urlaub genommen habe. Er bombardiert mich mit aggressiven, endlosen Sätzen und antwortet herablassend, wenn ich es wage, ihn mit einer sachlichen Frage zu unterbrechen. Ich betrachte seine Knollennase und denke, das brauche ich nicht. Ich denke daran, wie frei ich mich in London gefühlt habe, als ich nicht hier sein musste. Ich habe Kündigungsphantasien. Ich suche mir einen neuen Job in
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