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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen
Autoren: Florencia Bonelli
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Kapitel 1
    Wortlos nahm er das Geld entgegen, eine ordentliche Summe, und das war erst der Vorschuss. Er hatte Pfund Sterling verlangt, und Fouché hatte sich daran gehalten. Er zählte die Scheine und steckte sie in die Innentasche seines Mantels.
    Fouché kniff die Augen zusammen, als versuche er, das Rätsel, das da vor ihm stand, zu entschlüsseln. Der gedungene Mörder lächelte in sich hinein, er war es gewohnt, bei seiner Klientel Neugier und Misstrauen hervorzurufen. Er war die Kobra, und sein Ruf eilte ihm voraus. Da musste er nichts erklären, nicht einmal gegenüber Joseph Fouché, dem Polizeiminister Frankreichs.
    Es hieß, Fouché habe das komplexeste und effizienteste Spionagenetz Europas geschaffen. Als Jakobiner hatte er 1793 für die Hinrichtung Ludwigs XVI . gestimmt. Später hatte Maximilien de Robespierre, einer der einflussreichsten Männer der Revolutionsregierung, ihn wegen seiner Exzesse angezeigt, und Fouché hatte seinen Kopf ordentlich anstrengen müssen, um ihn zu retten: Madame Guillotine schwebte über ihm. Am Ende schaffte er es, dass statt seinem der von Robespierre rollte.
    Sein Talent, die rasanten dramatischen Veränderungen im revolutionären Frankreich schadlos zu überstehen, hatte ihm den Spitznamen »der Unsterbliche« eingebracht. Und nachdem er eineinhalb Jahrzehnte die turbulenten Gewässer der französischen Politik durchschifft hatte, musste er sich für mächtiger halten als seinen Vorgesetzten, den frisch gekürten Kaiser Napoleon Bonaparte.
    Er – die Kobra – hatte keinen Respekt vor Männern wie Fouché, nicht einmal vor einem wie Napoleon. Er kannte sich aus mit der
menschlichen Natur, und das Leben hatte ihn gelehrt, dass die meisten von niederen Beweggründen getrieben wurden. Letztlich lief alles immer auf Geld hinaus. Keiner war auch nur einen Deut besser als der andere, alle hatten eine Achillesferse, die es nur zu entdecken galt. Und dann konnte man zuschlagen.
    Allein Fouchés Anwesenheit in dem elenden Vorort von Paris an diesem eiskalten Winterabend war der Beweis dafür. Dass der große Polizeiminister des Reiches sich dazu herabgelassen hatte, sich mit einem Auftragsmörder zu treffen, zeigte, dass auch er seine Schwachstellen hatte.
    Fouché kramte in seiner Jackentasche. Er ließ sich Zeit. Obwohl die Göttin Vernunft ihm stets bei seinen Entscheidungen beistand und er sich niemals irrte, fragte er sich jetzt, ob er nicht einen großen Fehler machte. Es war nicht leicht gewesen, an die Kobra heranzukommen. Seinen Informanten zufolge verfehlte die Kobra ihr Ziel nie und spürte ihr Opfer auf, ganz gleich, wo es sich aufhielt. Und genau das war der Grund, warum Fouché sie verpflichtet hatte. Er holte einen Zettel aus der Tasche und hielt ihn der Kobra hin.
    »Hier stehen fünf Namen«, erklärte er. »Wir vermuten, dass es sich um englische Spione handelt. Aristokraten. Und wir vermuten, dass der Schwarze Skorpion unter ihnen ist.«
    »Was macht sie verdächtig?«, fragte die Kobra.
    »Erstens handelt es sich um Leute, die auf die eine oder andere Weise Beziehungen zu der Abteilung des englischen Außenministeriums unterhielten, der die Spione unterstehen. Zweitens sind sie in den letzten Jahren verschiedentlich in Frankreich aufgetaucht, und ihre Aktivitäten waren, gelinde ausgedrückt, ein wenig undurchsichtig.«
    »Sagen Sie mir, was man über den Schwarzen Skorpion weiß.«
    Fouché schob die Hand in sein Jackett und zog eine Brieftasche heraus, die ein Stück angesengtes, vergilbtes Papier enthielt.
    »Wir haben das hier«, versicherte er. »Diese Notiz wurde vom Schwarzen Skorpion persönlich geschrieben und vor einem Monat
bei einem seiner Spione gefunden. Leider hatte dieser den Zettel schon angezündet, bevor wir ihn ergreifen konnten. Wir konnten nur dieses Stück retten. Sehen Sie hier, das ist das Siegel, mit dem er die Botschaft unterzeichnete.«
    Es handelte sich um ein extrem dunkles Lacksiegel mit dem Reliefbild eines Skorpions. Darüber konnte man schwach etwas Geschriebenes erkennen.
    »Das werde ich brauchen«, sagte die Kobra und streckte die behandschuhte Hand aus.
    »Wozu?«, fragte Fouché überrascht.
    »Um meine Arbeit zu machen. Was ist aus dem Spion geworden, der den Zettel verbrannte?«
    »Er ist im Gefängnis gestorben. Er hat uns nichts Wesentliches gesagt.«
    Und dann gab Fouché den einzigen Beweis aus der Hand, dass sein Erzfeind tatsächlich existierte und nicht nur die Erfindung seiner Phantasie war. »Das Einzige,
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